© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/10 02. Juli 2010

Stärker als eine Haltung
Visionen: Zum Geburtstag des Schriftstellers J. Raspail
Georg Alois Oblinger

Jean Raspail, ein traditioneller Katholik und Monarchist, feiert am 5. Juli dieses Jahres seinen 85. Geburtstag. In Frankreich ist der 1925 in der Nähe von Tours geborene und heute in Paris lebende Schriftsteller sehr bekannt und erfolgreich. Schon in den fünfziger Jahren hat er sich als Reiseschriftsteller einen Namen gemacht. 1992 wurde er mit dem „Grand Prix du Roman de la ville de Paris“ ausgezeichnet und erst im Jahr 2008 mit dem auf Chateaubriand verweisenden „Prix Combourg“.

In Deutschland kennt man ihn so gut wie gar nicht. Erst zwei seiner Bücher wurden ins Deutsche übersetzt: „Das Heerlager der Heiligen“ (1973, „Le Camps des Saints“) und „Sire“ (1991). Beide Romane sind sehr unkonventionelle Visionen, die erste recht düster und „grotesk-apokalyptisch bis zur Obszönität“ (Lorenz Jäger in der FAZ), aber durchaus realistisch, die zweite eher ein humorvoll-romantischer Traum. Dennoch kann man von zwei Seiten einer Medaille sprechen. Handelt „Das Heerlager der Heiligen“ vom Scheitern der großen Ideologien, des Kommunismus und des Liberalismus, so zeigt „Sire“ eine unerwartete Wiederkehr der französischen Monarchie und der katholischen Tradition, deren Bekämpfung durch die führenden Schichten in Staat und Kirche sowie deren unverhofften Sieg dank der Gnade Gottes.

Europäer werden in der Minderheit sein

Im einem Interview mit dieser Zeitung (JF 34/06) erinnerte Jean Raspail daran, daß die von ihm 1973 geschilderte Vision von den eine Million Hindus, die vor der Südküste Frankreichs gestrandet sind, 2003 ganz ähnlich so eingetroffen ist. Etwa dreitausend Flüchtlinge sind vor der südfranzösischen Küste absichtlich gekentert. Andere Einwanderer kommen über die Kanaren oder über Lampedusa nach Europa. Raspail ist davon überzeugt, daß dadurch die jahrhundertealte abendländische Kultur zerstört wird und daß die Europäer spätestens ab 2050 in der Minderheit sein werden. „Dann wird aller Voraussicht nach mehr als die Hälfte der jungen Europäer – also der Mensch unter fünfzig Jahre – ursprünglich aus der Dritten Welt stammen. Sie werden fremden Ursprungs sein, afrikanischen und moslemischen Ursprungs“, erklärte Raspail in dem JF-Gespräch.

In dem Roman „Sire“ bringt Raspail seine Hoffnung zum Ausdruck. Er schildert, wie der achtzehnjährige Philippe Pharamond de Bourbon, ein direkter Nachfahre des französischen Königs, 1999 in Reims zum König gekrönt wird. In Phillippe wie auch in Raspail lebt die Hoffnung auf eine Welt, in der die Herrschaft Gottes wieder erkennbar ist.

Die langsame Wiederentdeckung Jean Raspails in Deutschland macht das Scheitern der linken Ideologien erneut sichtbar und zeigt auf, daß konservative und prononciert katholische Standpunkte derzeit Auftrieb erfahren. Schon im „Heerlager der Heiligen“ heißt es, daß nichts stärker sei als eine Haltung. 

Foto: Jean Raspail: Das Heerlager der Heiligen. Eine Vision. Hohenrain, kartoniert, 272 Seiten, 17,80 Euro; ders.: Sire. Nova & Vetera kartoniert, 242 Seiten, 19 Euro

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