© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/10 09. Juli 2010

Googles Marketing-Strategie in China: Ein Schritt vor, zwei zurück
Kampf um die Medienhoheit
Patrick Schmidt

Als Chinas Außenminister Yang Jiechi auf der Münchner Sicherheitskonferenz Carl Schmitt zitierte, um gegen eine Politik des Universalismus unter einem moralischen Deckmantel zu protestieren, zielte er bewußt auch auf die amerikanische Internetpolitik – die deutsche hatte er weniger im Sinn.

Doch in keinem anderen Land der Welt gibt es so viele Unterlassungsklagen gegen Internetanbieter wie in Deutschland, werden Foreneinträge gelöscht oder Profile von kritischen Menschen in sozialen Netzwerken, wie etwa Facebook, einfach gelöscht. All dies ist eine Form von Zensur der freien Meinungsäußerung. Nur, warum zieht sich Google dann nicht aus Deutschland zurück, sondern inszeniert ein mediales Theater auf dem chinesischen Festland?

Eine Bestandsaufnahme: Im Jahre 2006 startet Google seinen ersten Internetauftritt auf dem chinesischen Festland und unterschreibt die mit der Erteilung einer Lizenz verbundenen Regularien der chinesischen Behörde für Industrie und IT. Diese sieht vor, Online-Informationen zu filtern, die zum Umsturz der Staatsgewalt, Gewalt oder Terrorismus aufrufen bzw. pornographische Inhalte transportieren. Versucht man in China die berühmten drei Ts zu suchen, also Taiwan, Tibet und Tian’anmen (Platz des Himmlischen Friedens; Ort des Massakers 1989), landet man im Nirgendwo.

 Die Sperrung dieser und anderer Begriffe wie etwa „Parteibonzen“, wird seitens der chinesischen Behörde einerseits mit dem Schutz Jugendlicher und andererseits mit der Äußerung begründet, die ausländische Medienberichterstattung sei einseitig und verfolge teilweise imperialistische Ziele, wie im Fall von Tibet und Taiwan.

Im Dezember 2009 kommt es dann zu angeblichen Hackerangriffen auf die chinesischen Seiten von Google. Es seien „hochentwickelte“ und „gezielte“ Angriffe auf Google und weitere 20 US-amerikanische Unternehmen lanciert worden, die zweifelsfrei aus China kamen, heißt es. In bester Habermasscher Manier zieht sich Google daraufhin beleidigt zurück und droht mit dem Ende seiner Aktivitäten in China.

Doch von Rückzug keine Spur: Im März 2010 versucht Google durch den Umzug des Unternehmens nach Hongkong der chinesischen Zensur zu entkommen. Auch wenn in der ehemaligen britischen Kolonie teilweise modifizierte Gesetze ihre Anwendung finden – Hongkong gehört zu China. Wer von China aus die Hongkonger Google-Suchmaschine nutzte, landete bei der Suche nach dem Dalai Lama oder der Falung-Gong-Sekte wieder im zensierten Nichts.

Nun knickt Google erneut ein: Seit Anfang Juli werden Suchanfragen wieder auf den chinesischen Server von Google umgeleitet, Informationen also nach wie vor gefiltert. Ein gut sichtbarer Link verweist auf die Möglichkeit, die Suche nach Hong Kong umzuleiten. Doch auch dort werden Informationen durch die Behörden selektiert. Hier hat Google offensichtlich nachgegeben.

Der Einfluß Washingtons wird nicht unerheblich gewesen sein

Wenn Googles Chef-Justitiar Drummond sagt: „Der gewählte Schritt folgt eindeutig unserem Bekenntnis einer nicht-zensierten Suche. Wir sind davon überzeugt, daß wir mit diesem Ansatz unseren Prinzipien treu bleiben“, so steckt viel Wahrheit in seiner Aussage.

 Denn Googles Prinzipien sind weniger von tugendhaften Zielen geleitet, als von ökonomischen und ideologischen Interessen: Zum einen ist der riesige chinesische Internetmarkt von größtem wirtschaftlichen Interesse. Zum anderen verfolgt Google eine weltweite Strategie der Informationshoheit. Mit 76.6 Billionen Suchanfragen im Jahre 2009 lag Google Lichtjahre vor den Mitbewerbern Yahoo (8,9 Billionen), Microsofts Bing (3,3) sowie dem chinesischen Mitstreiter Baidu (8 Billionen), der in China einen Marktanteil von über 60 Prozent hat.

 Ein Rückzug aus China wäre also nicht nur wirtschaftlich unklug, sondern auch ein Verlust von Einflußmöglichkeiten amerikanischer Interessen. Dies bedeutet, daß auch Washington bei der Entscheidung Googles keinen unerheblichen Einfluß gehabt haben dürfte.

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