© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/10 16. Juli 2010

Korse und stolz darauf
Politische Zeichenlehre CIII: Mohrenkopf
Karlheinz Weissmann

Die Anschläge auf Ferienhäuser in verschiedenen Orten Korsikas haben wieder in Erinnerung gerufen, daß es auf der „Insel der Schönheit“ eine separatistische Bewegung gibt, die die Loslösung vom Mutterland Frankreich auch mit gewaltsamen Mitteln betreibt. Seit den achtziger Jahren hat der Front National pour la libération de la Corse (FNLC) versucht, Eta-ähnliche Strukturen aufzubauen. Wichtiger ist allerdings, daß die Übergänge zwischen „Befreiungskampf“ und organisiertem Verbrechen fließend sind, was die Unterdrückung mit polizeilichen Mitteln erschwert, aber auch der öffentlichen Wirksamkeit dieses „Regionalismus“ ein Hemmnis bedeutet.

Das hindert den FNLC selbstverständlich nicht, das korsische „Nationalsymbol“, den Mohrenkopf, das heißt den Kopf eines männlichen Schwarzafrikaners mit weißer Stirnbinde, zu benutzen. Die Figur spielte seit dem Mittelalter eine Rolle in der europäischen Heraldik, erlaubt aber grundsätzlich zwei Deutungsmöglichkeiten. Zum einen symbolisiert der Mohrenkopf oder der gerüstete Mohr den Heiligen Mauritius, einen Offizier der Thebaischen Legion, der Ende des 3. Jahrhunderts das Martyrium erlitt, weil er sich weigerte, an der Christenverfolgung teilzunehmen. Er galt ursprünglich als Schutzpatron Burgunds, dann der Ottonen beziehungsweise des deutsch-römischen Reiches; Reichsschwert und Heilige Lanze wurden mit ihm in Verbindung gebracht.

Mauritius wurde in Deutschland (aber nicht in Frankreich und Italien) regelmäßig als Schwarzer dargestellt. Bekannt ist die Statue aus staufischer Zeit im Magdeburger Dom St. Mauritius, die ihn knieend in voller Rüstung zeigt, und in den Stadtwappen von Coburg, Bad Sulza, Sandau und Zwickau. Die Vorstellung von der schwarzen Hautfarbe des Heiligen hängt damit zusammen, daß das Mittelalter den Namen Mauritius mit dem arabischen Königreich Mauretanien und dem griechischen mauros beziehungsweise amauros für „dunkel“ in Verbindung brachte.

Dieser positiven Wertung des Mohren steht eine negative gegenüber. Denn Mohrenköpfe spielten für das spanische Wappenwesen eine Rolle seit der Reconquista, also der Zeit der Rückeroberung des Landes von den Moslems. Dabei wurden Mohrenköpfe als Trophäen betrachtet, ähnlich den abgeschlagenen Türkenköpfen in ungarischen und polnischen Wappen späterer Zeit.

Jedenfalls besagt eine Wappensage der Könige von Aragon, daß diese 1046 nach einem Sieg Peters I. über vier Sarazenenherrscher einen Schild geführt hätten, mit einem Kreuz, in dessen Winkeln vier gekrönte oder mit einer Kopfbinde versehene Mohrenköpfe standen. Ein entsprechendes Wappen für Aragon ist allerdings erst zweihundertfünfzig Jahre später, ab 1281, tatsächlich nachweisbar. 1297 erhielten die Könige von Aragon dann durch Papst Bonifaz VIII. die Inseln Sardinien und Korsika zu Lehen, was dazu führte, daß sich auf beiden auch das aragonesische Wappenbild verbreitete.

Von besonderer Bedeutung war das aber nicht. Erst seit dem 16. Jahrhundert verfestigte sich die Vorstellung, daß das alte Wappen Aragons ein Symbol Sardiniens sei und der alleinstehende Mohrenkopf zu Korsika gehöre. Verantwortlich ist dafür vielleicht ein Atlas des Italieners Mainaldi Galerati, der einzelne Regionen auf seinen Karten mit Wappen kennzeichnete und in Ermangelung vorhandener für Sardinien vier Mohrenköpfe in den Winkeln eines Kreuzes und für Korsika einen Mohrenkopf vergab. Dabei ist es im Prinzip bis heute geblieben.

Politische Bedeutung im engeren Sinn erhielt die Verknüpfung für Korsika aber erst im 18. Jahrhundert, als Pascal Paoli zuerst auf eigene Faust, dann mit Hilfe der Briten einen selbständigen korsischen Staat zu schaffen versuchte. Der jugendliche Napoleon gehörte zu seinen glühenden Verehrern. Bereits 1760 hatte Paoli eine korsische Flagge entworfen, die den Mohrenkopf auf weißem Feld zeigte; den goldenen Ohrring, den Paoli als Symbol der Sklaverei auffaßte, hatte er entfernt. 1796 scheiterten seine Pläne endgültig. Korsika, das gerade erst aus dem Besitz Genuas an Frankreich übergegangen war, blieb dauerhaft bei Frankreich. Sein Symbol geriet aber nicht wieder in Vergessenheit. Es wird heute als Wappen der Region und selbstverständlich von allen autonomistischen Bewegungen Korsikas verwendet, oft verbunden mit einem Satz im traditionellen Idiom der Insel: „Su corsu e su fieru“ - etwa „Korse und stolz darauf.“

Die JF-Serie „Politische Zeichenlehre“ des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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