© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/10 23. Juli 2010

Ein Abgang mit Ansage
Hamburg: Der Erfolg des Volksentscheids gegen die schwarz-grüne Schulreform ist auch eine persönliche Niederlage für Ole von Beust
Sverre Schacht

Vom Hamburger Volksentscheid zur Schulreform geht ein klares Signal für den Bund aus: Der Architekt von Schwarz-Grün, Bürgermeister Ole von Beust (CDU), wirft das Handtuch. Er ist politisch am Ende. Zudem ist die Primarschule, das Vorzeigeprojekt der Hamburger Koalition, am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Sie hat auf dem Weg der direkten Demokratie faulen Kompromissen und ideologisch motivierten schulpolitischen Experimenten eine klare Absage erteilt.

Es war ein Politkrimi, wie man ihn selten erlebt: Am Sonntag, nur Minuten vor Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen zum Volksentscheid über die Schulreform, tritt das 55jährige CDU-Stadtoberhaupt im Rathaus vor die Kameras und dann ab. Monate hatte Ole von Beust Rücktrittsgerüchte unkommentiert gelassen. Er versuchte so, Druck von seinem Lieblingsprojekt zu nehmen – vergebens. Sein Problem: In der eigenen Partei bleibt der Widerstand gegen die sechsjährige Primarschule groß. Daher verschleppte er den Rücktritt bis zum letztmöglichen Zeitpunkt – dem denkbar falschen, ätzt der grüne Partner.

„Ein jegliches hat seine Zeit“

Doch nicht nur die CDU-Basis ist nach wie vor empört. Die schwarz-grünen Pläne zur Aushöhlung der Gymnasien und zur Einführung der von Experten als unverhältnismäßig teuer, aber ineffizient kritisierten Stadtteilschule hatten die Initiative „Wir wollen lernen“ auf den Plan gerufen. An ihrer Spitze sammelte der Anwalt Walter Scheuerl genug Stimmen, um den jetzigen Volksentscheid starten zu können. Der Senat hielt, nach Abstimmung mit der SPD-Opposition, mit eigener Vorlage dagegen.

Über das Ergebnis hinaus beweisen die Parteien mit dem Schulterschluß, daß sie den Sinn für Mehrheiten in der Bevölkerung verloren haben. Und das Ergebnis ist eindeutig: Rund 1,25 Millionen Hamburger durften abstimmen, 492.000 machten davon Gebrauch, die meisten per Brief (427.390). Während Umfragen sich auf die Spätabstimmer konzentrierten, fiel die Primarschule gerade bei den zuletzt ausgezählten vielen Briefwählern durch. 276.304 Hamburger stimmten für Scheuerls „Wir wollen lernen“ und den Erhalt der vierjährigen Grundschule. Die Reformer erhielten nur 218.065 Stimmen für ihre Vorlage. Angesichts der Zahlen könne man nicht von einem Votum einer Minderheit sprechen, so die Hamburger Politikwissenschaftlerin Christine Landfried, selbst Befürworterin der Reform. Ob die Macher der Primarschule sich an die Zusage halten, für die nächsten zehn Jahre das Ergebnis ohne weiteren Vorstoß anzuerkennen, bleibt jedoch offen.

Bis zuletzt hatten die Vordenker der Reform versucht, ihre Vorstellungen gegen jegliche Kritik durchzusetzen. Die grüne Bildungssenatorin Christa Goetsch ließ selbst Argumente von Lehrern nicht mehr gelten. „Jedes Kind soll eine Gymnasialempfehlung bekommen“, wurde als Parole ausgegeben. Und auch nach der krachenden Niederlage will Goetsch im Amt bleiben. Beust hingegen machte sich im Kampf für die Primarschule rar. Das Projekt besiegelt nun sein politisches Schicksal, auch wenn er das mit dem Abtritt verhindern wollte. 32 Jahre prägte er die CDU-Landespolitik, 17 davon in Spitzenämtern. Posten, die lange als ewiger Wartestand galten, war Hamburg doch bis Ende der Neunziger eine SPD-Hochburg. Bundespolitischer Einfluß blieb von Beust so versagt. Schwarz-Grün sollte das ändern. Doch: „Ein jegliches hat seine Zeit“, zitierte er jetzt zum Rücktritt die Bibel. Sein Vater, Achim-Helge Freiherr von Beust, baute die Junge Union Hamburgs mit auf, bereitete ihm den Weg in die Wandsbeker CDU. Schon früh sah der junge Beust sich und die Partei in der politischen Mitte, lobte die soziale Marktwirtschaft, wurde aber im Alter nach eigenem Bekunden „linker und grüner“.

Den Weg an die Macht im Stadtstaat schaffte er 2001 mit der rechtspopulistischen Partei Rechtsstaatlicher Offensive des schillernden Richters Ronald Schill. Deren Erfolgsthema Innere Sicherheit reklamierte Beust bald für sich, ließ es jedoch nach dem Bruch mit Schill 2003 zur Attitüde verkommen. Mit absoluter Mehrheit ging er an der Spitze der Hamburger CDU 2004 aus den Wahlen hervor. Während seine Beliebtheit dem Höhepunkt zueilte, suchte Beust neue Partner und fand sie links der Mitte in Gestalt der Grünen. Mit dem Ende der Alleinregierung 2008 hatte Beust den Zorn der Grünen-Basis auf Schill in kritische Zustimmung für ihn verwandelt. Das erste Bündnis zwischen Grünen und CDU auf Länderebene geht auf sein Umwerben der Grünen zurück: Grüne Politiker und Inhalte ließ Beust zum Happening auf CDU-Veranstaltungen werden. Mit dem Bündnis legte Beust den Sprengsatz, der ihn von der eigenen Basis wegriß – konservative Weggefährten verließen im Zorn die Partei, CDU-Inhalte blieben auf der Strecke.

Den Schlußakzent der an Kurswechseln reichen Politik Beusts setzt nun ein anderer: der aus Baden-Württemberg stammende 40 Jahre alte Christoph Ahlhaus. Die erste Amtshandlung als designierter Bürgermeister besteht in einem Bekenntnis zu Schwarz-Grün. Als Innensenator agierte er glücklos gegen nächtliche Autobrandstiftungen, kämpft aber für härtere Strafen bei Gewalt gegen Polizisten – ein Konfliktfeld mit den Grünen. Der Aufsteiger Ahlhaus präsentiert sich gerne als „Hardliner“ und gilt als Konservativer. Hinter den Kulissen ist ein Ende von Schwarz-Grün indes nicht abzusehen. Das Erbe Ole von Beusts bleibt so vorerst gewahrt. 

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