© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/10 30. Juli / 06. August 2010

Falsche Anreize
Haager Gerichtsspruch zur Unabhängigkeit des Kosovo
(JF)

Wenn der Internationale Gerichtshof die Unabhängigkeit des Kosovo bestätigt, mag das ein Prestigeverlust für Serbien sein. In der Sache ändert sich dadurch nichts. Serbien hat den Kosovo de facto schon längst verloren – und dadurch eigentlich gewonnen, weil es eine rasch wachsende, unruhige islamische Minderheit los geworden ist. Hinter vorgehaltener Hand geben das auch viele Serben zu.

Problematisch war allerdings von Anfang an das Anreizsystem von Nato und Europäischer Union, nämlich im Prinzip gegen die Sezessionsbewegung der Albaner zu sein – es sei denn, es entstünden im Kosovo unhaltbare Zustände – was auf eine Aufforderung hinauslief, solche Zustände zu schaffen.  Ein Machtwort in bester imperialistischer Manier wäre fairer und geradliniger gewesen.

Wesentlich für das Überleben des Kosovo ist nicht das Völkerrecht, sondern die Ökonomie. Zu einem beträchtlichen Teil lebt die Region von den Ausgaben der internationalen Behörden und Beobachter, die dort stationiert sind.

Bei einer tatsächlichen Normalisierung würden diese indirekten Transferleistungen wegfallen. Damit sind wir – nolens volens – erst recht wieder beim falschen Anreizsystem gelandet.

 

Prof. Dr. Lothar Höbelt ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Wien.

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