© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/10 30. Juli / 06. August 2010

Der Mann dahinter
Michael Ballhaus wird 75
Martin Lichtmesz

Genau fünfzig Jahre ist es her, daß Michael Ballhaus zum ersten Mal hinter der Kamera stand: Als Kameramann von Fernsehspielen unter der Regie von Peter Lilienthal, Herbert Vesely und Johannes Schaaf war er maßgeblich an den ersten Gehversuchen eines „Jungen Deutschen Films“ beteiligt. Als 1966 in West-Berlin die Deutsche Film-und Fernsehakademie gegründet wurde, galt er bereits als Profi und wurde zum Dozenten berufen.

Doch auch der 1935 in Berlin als Sohn von Theaterschauspielern geborene Ballhaus hatte noch einiges zu lernen, und die entscheidenden Lektionen sollte er ausgerechnet von einem jungen Regisseur bekommen, der bei der Aufnahmeprüfung der Filmschule durchgefallen war. Mit dem enfant terrible des deutschen Kinos, Rainer Werner Fassbinder, drehte Ballhaus ab 1971 mehr als ein Dutzend Filme, darunter „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ (1972), „Faustrecht der Freiheit“ (1974) und „Die Ehe der Maria Braun“ (1978). Für das Horror-Melodram „Martha“ (1974) entwickelte Ballhaus auf Anregung Fassbinders einen Kniff, der später zu seinem Markenzeichen wurde: mit einer 360-Grad-Kamerafahrt zog er eine aberwitzige filmische Schicksalsschleife um die beiden Hauptdarsteller Karlheinz Böhm und Margit Carstensen.

Seit 1982 arbeitete Ballhaus auch in den USA, wo 1985 der zweite entscheidende Schritt seiner Karriere erfolgte: Martin Scorsese ging mit seinem billig produzierten Film „After Hours“ (Die Zeit nach Mitternacht, 1985) sozusagen zurück zu seinen Wurzeln und fand in Ballhaus einen Kameramann, der es verstand, schnell, effizient und mit einfachen, zum Teil improvisierten Mitteln zu arbeiten. Die Zusammenarbeit fand ihren Höhepunkt in dem Meisterstück „Good Fellas“ (1990), in dem die Kamera mit einer ähnlichen Virtuosität durch die Räume flog, wie in Max Ophüls’ „Lola Montez“ (1955), dessen Dreharbeiten der junge Ballhaus begleiten durfte. Dank Scorsese wurde er nun zu einem der gefragtesten und respektiertesten „Directors of Photography“ Hollywoods.

Nach dem Tod seiner Frau im September 2006 beschloß Ballhaus, Hollywood den Rücken zu kehren und wieder in Deutschland zu unterrichten. Am 5. August wird er 75 Jahre alt.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen