© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/10 13. August 2010

Deutschen und Dänen droht der Rotstift
Schleswig-Holstein: Die Pläne der Landesregierung, die finanzielle Unterstützung für die Minderheiten beiderseits der Grenzen zu kürzen, stoßen auf Widerstand
Hans-Joachim von Leesen

Schleswig-Holstein ächzt unter der Schuldenlast. Die Landesregierung aus CDU und FDP unternimmt daher  alles, um im nördlichsten Bundesland „griechische Verhältnisse“ zu vermeiden, wie Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sich ausdrückt. Wer aber bisher angenommen hatte, daß die geplanten rigiden Sparmaßnahmen allein Angelegenheit der Schleswig-Holsteiner sind, der wird nun eines Besseren belehrt. Die Landesregierung hatte offenbar nicht ausreichend berücksichtigt, daß die Kürzungen der Mittel für die beiden südlich und nördlich der deutsch-dänischen Grenze lebenden Volksgruppen eine Menge Sprengstoff beinhalten.

Neben den im Laufe der vergangenen Legislaturperioden zwischen Nord- und Ostsee aufgehäuften Schulden in Höhe von etwa 25 Milliarden Euro weist der aktuelle schleswig-holsteinische Haushalt ein Defizit von 1,25 Milliarden aus. Alles in allem muß das Land pro Jahr über eine Milliarde Euro Zinsen für seine Schulden aufbringen. Angesichts dieser Misere hat das Kabinett die Ausgaben rigoros zusammengestrichen ( JF 27/10).

Dazu gehören auch Kürzungen der Mittel für die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein wie auch für die deutsche Minderheit im dänischen Nordschleswig. In erster Linie sind davon die Schulen betroffen. Allein in  Schleswig-Holstein gib es 49 privat betriebene dänische Schulen mit etwa 5.750 Schülern. Bislang erhielten sie vom Land für jeden Schüler 100 Prozent der Kosten, die ein Schüler auf den öffentlichen deutschen Schulen verursachte, während andere Privatschulen (etwa die Waldorfschulen) nur 80 Prozent vom Land erstattet bekamen – eine großzügige Regelung, die seinerzeit Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) eingeführt hatte. Jetzt aber will Schwarz-Gelb den Zuschuß für die dänischen Schulen auf 85 Prozent senken.

Die dänische Seite empfindet das als diskriminierend. In Kiel und in Flensburg, dem Zentrum der dänischen Minderheit, fanden Demonstrationen mit jeweils mehreren tausend Menschen statt unter dem Motto „Wir sind 100 Prozent wert!“ Der dänische Schulverein hat errechnet, daß durch die Differenz von 4,7 Millionen Euro die Existenz von 20 kleineren dänischen Schulen gefährdet sei. Ministerpräsident Carstensen blieb zunächst stur, selbst als es zu einem Krisengespräch mit dem dänischen Vorsitzenden der Region Süddänemark, Carl Holst, kam. Zu einer Einigung gelangte man nicht, da die dänische Seite – nicht ohne Logik – auf die über 50 Jahre alten Bonn-Kopenhagener-Erklärungen verwies, in denen festgelegt wurde, daß keine der beiden Minderheiten den Mehrheitsbevölkerungen gegenüber benachteiligt werden darf.

Da die deutsche Seite aber auch die deutsche Minderheit im dänischen Nordschleswig in ihre harten Sparpläne einbezieht, schlägt das Problem jetzt hohe Wellen. Im dänischen Nordschleswig leben historisch bedingt etwa 15.000 bis 20.000 dänische Staatsbürger, die sich zur deutschen Kultur bekennen. Ihre Volksgruppe unterhält 17 deutsche Privatschulen, die von etwa 1.480 Schülern  – Tendenz leicht ansteigend – besucht werden. Der dänische Staat, der für sein Schulwesen wesentlich mehr Geld ausgibt als die Bundesrepublik Deutschland, bezuschußt die deutschen Privatschulen in derselben Höhe wie die dänischen Schulen.

Nordschleswiger warnen vor Rückzug auf Raten

Die deutschen Schulen sollen nun Kürzungen der deutschen wie auch der dänischen Zuschüsse hinnehmen. So will die Bundesregierung die bisherige Finanzierung von 9,5 Millionen Euro ab dem kommenden Jahr um 1,5 Millionen kürzen, der dänische Staat hat angekündigt, seine Mitfinanzierung der Privatschulen („Freischulen“) im Laufe der nächsten vier Jahre um drei Millionen dänische Kronen (rund 400.000 Euro) herunterzufahren.

Zusammen mit den beabsichtigten schleswig-holsteinischen Kürzungen würde das ein Minus von 2,5 Millionen Euro bedeuten, was den Abbau von 40 bis 50 Stellen bei der deutschen Minderheit nach sich zöge. Der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Hinrich Jürgensen, appellierte in einem Brief an die wichtigsten Politiker in Berlin, sie sollten „den Rückzug auf Raten aus der politischen Verantwortung für die deutsche Volksgruppe stoppen“.

Jetzt soll eine deutsch-dänische Arbeitsgruppe gebildet werden, die zunächst die finanziellen Grundlagen beider Minderheiten dokumentieren wird, um davon ausgehend nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.

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