© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/10 13. August 2010

Anschlag auf die Meinungsfreiheit
Österreich: Das geplante sogenannte Anti-Terrorgesetz stößt auf politischen und publizistischen Widerstand / SPÖ und ÖVP wollen Gesetzentwurf verbessern
Peter Wassertheurer

Es sollte schnell gehen. Es gehört zur parlamentarischen Tradition, noch vor der Sommerpause zahlreiche Gesetzentwürfe abzuarbeiten. Die Devise lautet dann: Abstimmung im Eilverfahren. Für die Opposition bedeutet das, höllisch aufzupassen. Das Terrorismuspräventivgesetz war so ein Fall. SPÖ und ÖVP wollten es durch den Nationalrat peitschen. Schon im April offenbarte Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) dessen Beschluß im Ministerrat. Anfang Juli sollte es im Justizausschuß beschlossen werden und danach den Nationalrat passieren. Spätestens im August sollte das novellierte Anti-Terrorgesetz in Kraft treten.

Es kam aber ganz anders. Der Justizausschuß nahm das Gesetz wegen massiver Kritik von der Tagesordnung. Geplant sind Nachverhandlungen. Wer war für diesen Sinneswandel verantwortlich? Freilich, die Opposition (FPÖ, BZÖ, Grüne) schäumte, hätte aber eine Abstimmungsmehrheit der Regierung nicht verhindern können. Es waren wohl die Kritiker in der Sozialdemokratie, die nach der Notbremse riefen. So verlangte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim „präzisere Formulierungen“ und fürchtet beim derzeitigen Entwurf um die Meinungsfreiheit unabhängiger Medien. Und genau das ist die Schwachstelle des geplanten Anti-Terrorgesetzes.

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) möchte den Straftatbestand der bloßen Teilnahme an einem Terrorcamp im Ausland und die Tätigkeit von Haßpredigern verankert wissen, denn in Österreich werden junge Muslime in den Sommerferien in ihrer Heimat in Terrorcamps ausgebildet. Die österreichische Justiz sagt nein dazu und handelt, um muslimischen Rattenfängern mit präventiven Anti-Terrormaßnahmen das Handwerk zu legen.

Der aktuelle Entwurf schießt aber weit über dieses Ziel hinaus: Bis zu zwei Jahre Freiheitsentzug drohen nämlich, wenn man künftig Personen wegen ihrer „Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung“ verächtlich macht. Das hat mit Terrorbekämpfung nichts zu tun.

Rechtsstaatliche Grundsätze werden über Bord geworfen

Für den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) würden damit rechtsstaatliche Grundsätze über Bord geworfen und der Meinungsfreiheit der Garaus gemacht. Welche regressiven Auswüchse sich hinter dieser Passage verbergen, zeigte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf: „In Wien ist es ein Faktum, daß von rund 8.000 Drogendealern 6.300 Schwarzafrikaner sind. Wenn das aufgezeigt wird, wollen gewisse Herrschaften des rot-schwarzen Systems offenbar diese Wahrheit in Zukunft verhindern.“ Die FPÖ befürchtet, wegen ihrer kritischen Haltung in der Asyl- und Zuwanderungsfrage einen Maulkorb verpaßt zu bekommen. Strache warnt vor einem politischen „Willkürgesetz“, das Österreich in Richtung einer „totalitären Gesellschaft“ bringe.

Ewald Stadler von Jörg Haiders Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) poltert gegen den „Verhetzungsparagraphen“, der eine „massive Einschränkung der Meinungsfreiheit“ zur Folge hätte. Die Gesetzesverschärfungen könnten aber auch linke Plattformen mit dem Anti-Terrorgesetz in Konflikt bringen, denn die Justizministerin möchte „Aufforderungen“ und das „Gutheißen“ terroristischer Straftaten ebenso verfolgen wie die Veröffentlichung von „Anleitungen zu einer terroristischen Straftat“. Vor allem die Grünen sehen darin das Recht auf zivilen Ungehorsam beschnitten. Zu ihnen drängen sich inzwischen Tierschützer, Medienvertreter und Organisationen wie Amnesty International. Gemeinsam befürchtet man eine Kriminalisierung ihres Aktionsprogramms: Die Besetzung öffentlicher Gebäude, Autobahnblockaden oder Anleitungen zum Bau von Molotow-Cocktails könnten als terroristische Tat eingestuft werden.

Inzwischen macht die Plattform „JA zur Meinungsfreiheit – NEIN zum Terrorgesetz“ mächtig Dampf gegen den Justizausschuß. In einer Petition weist man auf die liberalen Errungenschaften seit der 1848er Revolution hin und warnt vor dem Mißbrauch der Meinungsfreiheit. Österreichs Parlamentarier werden aufgefordert, der Regierungsvorlage die Zustimmung zu verwehren. Die Argumente sind an sich logisch: „Meinungs- und Gedankenpolizei ist die Vorstufe des Terrors und daher ungeeignet, den Terrorismus zu bekämpfen.“

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