© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/10 13. August 2010

CD: Pop
Wühltisch
Georg Ginster

Hörfunksender, die mit ihrem Morgenprogramm eine Aufstehhilfe bieten wollen, benötigen dazu eine Moderation, die unerträglich gute Laune verbreitet, sowie eine Liedfolge, die den Kreislauf in Gang setzt. Nicht selten wartet diese dabei mit Titeln auf, die man zu einer anderen Tageszeit nicht hören könnte, ohne daß es einem die Schamesröte ins Gesicht triebe.

Die Auswahl wird nun durch einige Lieder bereichert, mit denen die finnische Mädchencombo Indica den internationalen Markt zu erschließen versucht. In ihrer Heimat ist sie bereits seit einigen Jahren eine etablierte Größe, der qua der in diesem Fall besonders eklatanten Sprachbarriere eine Wirkung über die Landesgrenzen hinaus verwehrt blieb. Dies soll durch den Gebrauch der lingua franca des Pop auf „A Way Away“ (PIAS/Warner) anders werden.

Die kompositorische Strategie, deren man sich dabei bedient, ist eine der akribisch konstruierten Vielfalt. Orchestral arrangierte Pop­hymnen finden sich neben eher beschaulichen Balladenklängen, und auch der Hauch des Orients, immer noch das probateste Mittel, um so etwas wie Mystik zu zelebrieren, darf nicht fehlen. Das Ganze reitet auf einer Grundstimmung dezenter Melancholie, die seit den Anfängen von a-ha eine Art Markenzeichen nicht gänzlich anspruchsloser Unterhaltungsmusik aus nördlichen Gefilden ist und sich als gut vereinbar mit dem Geschmack eines breiten Publikums erwiesen hat.

Indica wagt sich damit auf eine Gratwanderung, die schwierig zu meistern ist und auch diesen fünf Damen trotz oder vielleicht auch gerade wegen ihrer Professionalität nur eingeschränkt gelingt: Sie lassen sich als Produzentinnen von musikalischer Massenware für den Wühltisch im Kaufhaus auffassen, die sich zur besseren Unterscheidung von Mitbewerbern des neoromantischen Dresscode bedienen – oder eben als Easy-Listening-Goths, die in die goldene Mitte streben. Das Urteil des Hörers, wo sie denn nun hingehören, schwankt von Lied zu Lied.

Diese Frage stellt sich bei Moke nicht oder jedenfalls nicht so, daß der Bannfluch, hier handele es sich um eine nicht zuletzt in kommerzieller Hinsicht berechnende Retortenmusik, zu befürchten wäre. Der Erfolg ist bislang noch überschaubar. Wer Coldplay mag, hört vielleicht auch gerne Interpol, die Editors oder The Kooks; für die Ergrauten könnte man hier noch Altvordere wie Depeche Mode oder Morrissey hinzufügen.

Moke bietet von allem etwas. Verleitete das vor drei Jahren präsentierte Debütalbum „Shortland“ der in Amsterdam beheimateten, sich allerdings eines irischen Texters und Sängers bedienenden Band noch zu dem Verdikt, sie wäre aus lauter Sentimentalität darauf aus, das Verfallsdatum des in die Jahre gekommenen, auf unkomplizierte Melodien in netten Gitarrenarrangements bauenden Britpop verlängern zu wollen, so zieht die Nostalgie auf der zweiten CD noch weitere Kreise.

„The Long & Dangerous Sea“ (Island/Universal) läßt die Keyboards etwas stärker in den Vordergrund treten und sogar ein Saxophon erklingen – wer die Strickmuster von New Wave beziehungsweise Postpunk noch präsent hat, mag sich hier Erinnerungen hingeben. Die tatsächliche Qualität von Moke erschließt sich aus den Zugaben, die die CD bietet: fünf akustischen Live-Versionen von Liedern ihres ersten Albums.

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