© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/10 13. August 2010

Linke Warnung vor einer Maulkorb-Republik
Klaus Norbert warnt vor „Einflüsterern“ in Medien, Wirtschaft und Politik und sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht
Hans-Jürgen Hofrath

Wenn besorgte Autoren die Meinungsfreiheit in akuter Gefahr sehen oder ihnen Begriffe wie „Zensur“, „Einflüsterung“ und „Maulkorb-Republik“ oder gar „Demokratur“ aus der Feder fließen, so entstammen diese Kritiker zumeist einem konservativen oder libertären Milieu. Um so erstaunlicher mutet der Umstand an, daß der Verfasser des Buches „Die Einflüsterer“ mit dem ewiglangen Untertitel „Angst vor Sozialabbau, Sorge um die Zukunft – es wird immer stiller im Land. Politik und Wirtschaft haben leichtes Spiel: Wir sind auf direktem Weg in den Maulkorb-Staat. Wird Ruhe zur ersten Bürgerpflicht?“ nach eigenem Bekunden einem linken Umfeld entstammt, was die zentralen Thesen des Buches aber nicht zwangsläufig weniger aufschlußreich machen müßte.

Die Quintessenz von Klaus Norberts Einlassungen ist die generelle Feststellung, daß wir in beinahe allen Lebensbereichen der Steuerung sogenannter „Einflüsterer“ unterliegen. Welche vornehmlich den Medien, der Politik oder großen Wirtschaftskonzernen entstammen. So weit, so gut. Darin ist dem Autor prinzipiell beizupflichten. Naturgemäß ergeben sich aber Differenzen zwischen unterschiedlichen politisch-ideologischen Lagern, wenn es um die Benennung konkreter, die These unterfütternder Details geht.

Übereinstimmende Beurteilungen ergeben sich über diese Lager hinweg bei der Einstufung eines zügellosen Wirtschaftssystems, das Norbert der Einfachheit halber natürlich als Neoliberalismus klassifiziert, oder der Warnung vor quasi-diktatorischen Zügen der EU. Zutreffend wird auch die Frage nach dem „Souverän“ aufgeworfen: dieser sei jedenfalls nicht der Wähler. Die sind Norbert zufolge lediglich „Statisten in einer Aufführung“, deren Drehbuch – kryptisch gesprochen – „von anderen“ geschrieben wurde. Auch die bereits seitens der Frankfurter Schule kolportierte Kritik an einseitiger Konsumideologie sowie an damit einhergehenden, durch dümmliche Fernsehunterhaltung abgestumpften und zu Marionetten degenerierten Konsumidioten ist aus konservativer Sicht durchweg zustimmungsfähig – Adornos altbekanntes Diktum vom „Verblendungszusammenhang“ bleibt auch und gerade heute von einschneidender Aktualität.

Kritik an allumfassender medialer Gleichschaltung wird in der wichtigen, gleichsam nicht neuen Einsicht manifest, daß sich durch geschickte Synchronisation und Beeinflussung von Massenmedien die öffentliche Meinung auch über Kontinente hinweg binnen weniger Wochen vollständig wenden läßt. Von völliger Ignoranz zeugt auch der Umstand, daß Norbert ausgerechnet die mittlerweile bestens im Mainstream integrierte und vernetzte taz als heldenhaften „David“ im Kampf gegen übermächtige Einflüsterer hochstilisiert. Die fortwährenden Attacken und Denunzierungen wegen kritischer Berichterstattung ausgesetzten Zeitungen – nicht zuletzt die JUNGE FREIHEIT – sind ihm hingegen keinerlei Erwähnung wert. Diese Wahrnehmungstrübung zieht sich von vorn bis hinten durch seine etwas alarmistische Arbeit. Vielfach übersieht er, daß die „Einflüsterer“ gerade jene sind, die ihre Deutungshoheit weit über Publizistik und Wissenschaftsbetrieb hinaus seit dem 68er-Marsch durch die Institutionen „gesamtgesellschaftlich“ implantiert haben und diese eifersüchtig und gouvernantenhaft verteidigen.

So verbietet es sich denn auch, die von ihm zitierte Dürrenmatt-Aussage „Niemand köpft leichter als jene, die keine Köpfe haben“ in einen Kontext zu medialen Hinrichtungen in exemplarischen Fällen wie Philipp Jenninger, Martin Hohmann oder Eva Herman zu setzen.

Mit gewisser Sympathie liest man in Norberts Rundumschlag immerhin über politische Manipulationen von Wirtschaftslobbyisten, das hysterisch-mediale Dauergequassel und die flächendeckend geübte mediale Praxis des wechselseitigen Abschreibens sowie den hybriden Machtanspruch der Medien, Politiker zu vernichten oder auch „zu machen“ oder die Verschränkung von Politik und Medien – man denke hier nur an das Freundinnenkartell zwischen Angela Merkel, der bei Bertelsmann einflußreichen Liz Mohn und Friede Springer.

Klaus Norbert: Die Einflüsterer. Heyne Verlag, München 2010, broschiert, 320 Seiten, 9,95 Euro

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