© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/10 20. August 2010

„Der Staatsbankrott kommt“
Sein Buch eilt von Bestsellerrekord zu Bestsellerrekord – Michael Grandt zeigt die Zukunft, die uns blüht
Moritz Schwarz

Herr Grandt, der Katzenjammer der Euro-Griechenland-Krise ist vorbei, es geht wieder aufwärts: „Der Boom ist da, Weltuntergang fällt aus“, „Hurra Deutschland“ und „Aufschwung XL“, lauten die Wirtschaftsschlagzeilen der letzten Tage. Warum miesepetern Sie dennoch: „Der Staatsbankrott kommt“?

Grandt: Mal langsam, Tatsache ist, unser Bruttoinlandsprodukt ist um 4,7 Prozent geschrumpft. Im Klartext: Wir haben gerade mal rund vierzig Prozent von dem wiedergutgemacht, was wir vor einem Jahr – als Auswirkung der Krise 2008 – verloren haben. Andersherum: Wir sind noch sechzig Prozent hinterher, diese minus sechzig Prozent werden uns jetzt als Aufschwung verkauft!

Immerhin bis auf Platz sieben der „Spiegel“-, Platz zwei der „Handelsblatt“- und Platz eins der „Manager Magazin“-Bestsellerliste hat es Ihr Buch schon geschafft.

Grandt: Im Grunde ist Deutschland heute schon bankrott, wir haben es nur noch nicht realisiert. Aber das ist wie beim Zusammenbruch des Kommunismus, der reale Schock folgt mit ein paar Jahren Verzögerung.

„Hintergründe, die man kennen muß“, verheißen Sie auf dem Umschlag, appellieren dort: „Retten Sie Ihr Vermögen, solange Sie noch können!“ und versprechen: „Hier lesen Sie, was Sie wissen müssen.“ Das klingt eher nach einem Reißer als nach einer seriösen Analyse.

Grandt: Über die Aufmachung des Buches kann man streiten, aber wer in der Flut der Buchtitel aufallen will, der muß das Selbstbewußtsein haben, auf sich aufmerksam zu machen. Daraus können Sie aber nicht schließen, daß der Inhalt nicht trägt. Für das Buch habe ich alle Staatsbankrotte und Währungsreformen der jüngsten Zeit unter die Lupe genommen und dazu über 800 seriöse Quellen verwendet. Zudem gebe ich Tips, wie man sich vor dem Zugriff des Staates auf sein Vermögen schützen kann. Also schon die Darstellung der Ereignisse und ihrer Hintergründe offenbart die große Bedrohung. Außerdem wäre eine gute Plazierung in den verschiedenen Besteller-Liste sicher nicht möglich, wenn das Buch nicht seriös wäre und Substanz hätte. Das zeigen mir auch die vielen positiven Leserzuschriften.

Allerdings ist Deutschland ja nicht nur Schuldner, sondern auch Gläubiger – im Saldo sind wir schuldenfrei!

Grandt: Glauben Sie bitte nicht an das Märchen! Jede Hausfrau weiß: Man soll nicht mehr Geld ausgeben, als man hat. Doch Deutschland nimmt jährlich etwa 250 Milliarden ein und gibt 2010 rund 320 Milliarden Euro aus. 

Immerhin hat die Bundesregierung inzwischen das größte Sparpaket der Nachkriegsgeschichte beschlossen.

Grandt: Ich bitte Sie, unsere explizite Staatsschuld beläuft sich auf rund 1,7 Billionen Euro, und die Bundesregierung rechnet in den nächsten drei Jahren mit einem Finanzierungssaldo von über 216 Milliarden Euro. Tut mir leid, da kann ich ein sogenanntes Sparpaket von lediglich achtzig Milliarden Euro nicht ernstnehmen. Es zeigt mir vielmehr, daß man den wahren Ernst der Lage nicht sehen will.

Daß wir Schulden haben, ist nichts Neues. Was sind denn die angekündigten „Hintergründe, die man kennen muß“?

Grandt: Wenn Sie genauer hinschauen, kommt da etliches zum Vorschein. Nur ein Beispiel von vielen: So gesellt sich zu unserer expliziten Staatsverschuldung von 1,7 Billionen Euro noch eine implizite: Das sind die zukünftigen staatlichen Zahlungsverpflichtungen für Renten und Pensionen, Aufwendungen für die Sozialsysteme etc. Bezieht man diese Verschuldung mit ein, beläuft sich unsere Schuld auf sage und schreibe etwa sieben Billionen Euro! Das sind 7.000 Milliarden, während sich unsere jährlichen Einnahmen nur auf etwa 250 Milliarden Euro belaufen. Bei einer Tilgung von einem Prozent brauchen wir also 700 Jahre, um diese Schuld abzutragen – und das auch nur, wenn wir ab sofort strikt keine weiteren Schulden mehr machen würden. Davon erfahren Sie in den sogenannten Mainstream-Medien nichts! Hier geistert immer nur die Zahl von 1,7 Billionen durch die Blätter.

In Ihrem Buch stellen Sie dar, daß viele Wege ins Unheil führen.

Grandt: So ist es, so haben wir etwa noch gar nicht von den deutschen Banken gesprochen: Deren Bilanzsumme beträgt etwa acht Billionen Euro. Bei einem Ausfall von nur 15 Prozent würde sich bereits ein Abschreibungsbedarf von 1,2 Billionen Euro ergeben. Wenn der Staat, wie von der Bundesregierung propagiert, diese Risiken schuldenwirksam übernimmt, würde die Staatsverschuldung schlagartig um weitere 75 Prozent steigen. Und Schulden in dieser Höhe sind einfach nicht mehr zu bedienen – Folge: Zahlungsunfähigkeit, sprich Staatsbankrott. Und es gibt noch weitere Faktoren  wie die Landesbanken oder den Zinssatz. Erstere haben toxische Kredite im Wert von etwa 180 Milliarden Euro in ihren Tresoren – und es sind die Bundesländer, die für die Landesbanken haften. Der Zinssatz ist seit Jahren niedrig, so daß sich Deutschland für wenig Zins Geld leihen kann, aber das wird nicht ewig so bleiben. Sollten die Zinsen um nur um ein Prozent steigen, müßten wir pro Jahr etwa acht bis neun Milliarden Euro mehr Zins zahlen. All diese Faktoren zusammen ergeben, daß wir uns eigentlich bereits mitten im Finanzkollaps befinden.

Warum spüren wir das dann noch nicht?

Grandt: Weil wir immer noch Geld geliehen bekommen, weil wir von den Schlechten noch die Besten sind. Aber irgendwann ist auch für uns Schluß. Wäre die Bundesrepublik eine Unternehmen, wären schon längst alle Lichter aus, weil keine Bank diesem auch nur einen Cent leihen würde. Bei Staaten ist das etwas anderes, sie genießen mehr Vertrauen. Warum? Weil die Gläubiger wissen, hinter den Staaten stehen ja noch die Steuerzahler, die man schröpfen kann. Und damit kommen wir zum springenden Punkt.

Nämlich?

Grandt: „Staatsbankrott“ klingt schlimm, aber doch immer so, als seien das die anderen und nicht ich. Irrtum, der Staat sind wir, und wenn er sich saniert, dann tut er das auf unsere Kosten. Staatsbankrott ist letztlich nur ein anderes Wort für Bankrott der Bürger. Auch wenn ihr Staat am Ende nicht haftet, die Deutschen – wir alle! – entkommen der Haftung für unsere Staatsschuld auf keinen Fall.

Vielleicht sollten wir also statt von Staatsbankrott lieber von Inflation sprechen? Dann das ist ja das Mittel, dessen der Staat sich bedient, um seinen Bankrott zu unserem zu machen.

Grandt: Seit wir keine eigene Währung mehr haben, können wir nicht einmal mehr einfach so inflationieren.

Die EZB erhöht doch schon die Geldmenge.

Grandt: Da stimmt, allein seit 2007 um 35 Prozent, aber was ich meine: Die ganze Euro-Zone müßte zu einer Inflation bereit sein.

Falls es diese dann überhaupt noch gibt.

Grandt: Was wohl in der Tat eher nicht anzunehmen ist, ja.

Also?

Grandt: Womöglich erledigt man die Schuldenabwälzung beim Zusammenbruch des Euro gleich in einem Aufwasch mit Einführung einer neuen D-Mark.

Dann würde die Politik natürlich alles auf den Zusammenbruch des Euro schieben – für den sie „natürlich“ auch nicht verantwortlich ist, denn wer konnte schon voraussehen, daß er scheitert ...

Grandt: Klingt zynisch, aber so könnte es kommen. Dabei war von Anfang an klar, daß der Euro nicht funktionieren kann, weil der fiskalischen keine ökonomische Einheit zur Seite gestellt wurde. Mit der D-Mark hatten wir eine der stärksten Währungen der Welt, mit dem Euro nun eine immer schwächere. Letztlich wird der schwache Euro niemandem nutzen, auch die Ersparnisse in Versicherungen usw. sind dadurch in Gefahr, entwertet zu werden. Ich gebe dem Euro höchstens noch zehn bis fünfzehn Jahre.

Wann holt der „Deutschland-Schock“, wie Sie das in Ihrem Buch nennen, uns denn nun tatsächlich ein?

Grandt: Der Wirtschaftswissenschaftler Bernd-Thomas Ramb hat sich mit der Wahrscheinlichkeit einer nächsten Währungsreform in Deutschland befaßt und diese aus verschiedenen Parametern wie Bevölkerungsentwicklung, Versorgungslasten, Systemwiderstandskomponente, Schulden usw. errechnet. Seiner Prognose nach liegt die größte Eintrittswahrscheinlichkeit zwischen den Jahren 2020 und 2030. 

Wird die etablierte Politik den Schock denn überleben, oder werden die Parteien zusammenbrechen wie 1993 in Italien?

Grandt: Wie gesagt, habe ich alle Staatsbankrotte der jüngsten Zeit analysiert: Keineswegs brachen dabei die etablierten Parteien zwingend zusammen, allerdings ging sehr häufig ein Anwachsen der Parteien am linken und rechten Rand damit einher. Da wir in Deutschland schon eine etablierte Linkspartei haben, könnte für uns die markanteste politische Veränderung das Erscheinen einer starken Partei am rechten Rand sein, wenn nicht endlich gehandelt wird. 

Gäbe es eine Möglichkeit, den Bankrott abzuwenden?

Grandt: Dazu müßte ganz massiv eingespart werden. Dazu wiederum brauchen wir aber erstmal eine andere Politik. Denn daß Sparen nötig ist, ist ja bekannt, aber es wird dennoch nicht getan. Beispiel: Das sogenannte Sparpaket der Bundesregierung. Mit Sparen hat das in nicht viel zu tun, eigentlich geht es dabei nur um die Verhinderung einer höheren Schuldenaufnahme. „Sparpaket“ heißt es nur, um die Bürger zu täuschen. Solange die Politik diese Mentalität hat, sehe ich keine Chance.

Wenn Sie Bundeskanzler wären ...

Grandt: So einfach ist das nicht, aber ich verstehe, was Sie meinen. Meine Antwort: Was ist der Grund für diese Lage? Unsere Mißwirtschaft, der völlig sinnlose Krieg in Afghanistan, der nur Geld kostet und nichts bringt, und natürlich unser total aufgeblähter Sozialstaat, der bereits 54 Prozent der Aufwendungen ausmacht. Daran sind nach meiner Ansicht vor allem die linken Parteien schuld, die dessen Ausbau ohne Rücksicht auf Verluste vorangetrieben haben. Inzwischen stehen vierzig Millionen Erwerbstätigen 36 Millionen Empfängern staatlicher Leistungen gegenüber, wie Rentner, Hartz-IVler, Arbeitslose, Pensionäre und Beamte, für die der Steuerzahler ja auch aufkommen muß. Zwar haben die heutigen Rentner jeden Monat brav einbezahlt, aber das Geld wurde bereits im selben Monat wieder ausgegeben und eben nicht als Rückstellung angelegt. Deshalb werden diese Aufwendungen immer größer. Das ist ein Systemfehler. Wie lange kann es also noch gutgehen, daß man Leistungsträger durch immer höhere Abgaben bestraft und Leistungsempfänger durch stetige Transfers belohnt? 

Aber Sie können die Schuld wohl kaum allein auf die linken Parteien schieben?

Grandt: Nein, da haben Sie recht, aber ich bin überzeugt, hätten in Deutschland nur linke Parteien regiert und nicht immer wieder auch Union und FDP, dann wäre unsere Staatsschuld noch höher, weil es nur noch einen Versorgerstaat gäbe und die Leistungsträger noch stärker belastet würden. Jetzt schon werden jährlich über 100.000 Menschen aus dem Land getrieben, das sind in zehn Jahren eine Million – eine Katastrophe!

Union und FDP haben nicht „immer wieder auch“, sondern zeitlich gesehen „vor allem“ regiert – unsere Staatsschuld haben wir also in erster Linie ihnen zu verdanken.

Grandt: Ich möchte Union und FDP keinesfalls aus der Verantwortung entlassen. Es stimmt, sie haben ihre Wächterfunktion nur unzureichend erfüllt. Und eine Maßnahme wie das von Schwarz-Gelb verantwortete Euro-Stabilisierungssystem ist nach meiner Ansicht nichts anderes als Betrug am Volk. Aber am politischen Aufschrei gegen das von ihnen beschlossene – wie gesagt, noch viel zu geringe – „Sparpaket“ sehen Sie, wo vor allem der Widerstand herkommt. Doch tatsächlich haben inzwischen immer mehr Menschen nicht mehr die Hoffnung, daß irgendeine der etablierten Parteien das Ruder herumreißen wird, dazu hat keine von ihnen den Mut, die Kraft und den Charakter.

Also?

Grandt: Wie gesagt: Der Staatsbankrott wird kommen – früher oder später.

Dann trifft er, abgewälzt auf die Bürger, am Ende allerdings doch die Richtigen – nämlich uns alle, die wir diese Politiker immer wieder wählen.

Grandt: So pauschal kann man das nicht sagen, denn Politiker und Parteien werden ja nicht wie in einer Diktatur mit einem Wahlergebnis von neunzig oder hundert Prozent gewählt. Etwa die Hälfte der Bürger hat ja eben nicht CDU/CSU und FDP gewählt. Sie kennen ja das Sprichwort: Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient. Dessen ungeachtet gebe ich jedem die Empfehlung: Verlassen Sie sich nicht darauf, was Ihnen die Regierung, Parteien oder staatliche Institutionen raten oder versprechen. Mit jenen, die bis zum Schluß obrigkeitsgläubig waren, hat der Staat noch bei jeder Währungsreform die besten Geschäfte gemacht, denn die haben letztendlich immer den Großteil ihrer Vermögen verloren.

 

Michael Grandt, sein neues Buch „Der Staatsbankrott kommt“ (Kopp) hält sich – inzwischen in sechster Auflage – seit Wochen hochplaziert in den Verkaufslisten zahlreicher Zeitschriften wie Spiegel, Stern, Focus, Handelsblatt oder Manager Magazin. Der Publizist, Journalist und freie Berater für die Themen Wirtschaft, Finanzen, Gesellschaftskritik und Zeitgeschichte (www.michaelgrandt.de)  hat bereits über ein Dutzend Bücher veröffentlicht sowie an zahlreichen Fernsehreportagen, etwa für BBC, ORF, SAT 1 und PRO 7, mitgearbeitet.

2005 erhielt Grandt durch den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg die Staufermedaille für besondere Verdienste verliehen. Im Herbst erscheint sein neuer Titel: „Handbuch für Selbstversorgung. Überleben nach der Krise“, ebenfalls im Kopp-Verlag. Geboren wurde Michael Grandt 1963 bei Stuttgart.

Foto: Pleitegeier auf dem Dach des Reichstags: „‘Staatsbankrott’ ist nur ein anderes Wort für den Bankrott der Bürger ... wir entkommen unserer Staatsschuld auf keinen Fall“

 

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