© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/10 20. August 2010

Uwe Schünemann. Der Innenpolitiker verweigert sich dem „antifaschistischen Konsens“
Der Exot
Christian Vollradt

Ein bißchen Exot war Nieder-sachsens CDU-Innenminister Uwe Schünemann schon immer; als er 2003 sein Amt antrat, stach er als Nicht-Jurist unter seinen Kollegen in Bund und Ländern hervor. Dieses Al­leinstellungsmerkmal hat er heute nicht mehr, dafür hebt sich der 46jährige mittlerweile auf andere Weise ab: Durch seinen wiederholten Verstoß gegen das „antifaschistische Gebot“: „Es kann  keinen schlimmeren Staatsfeind geben als die Rechte.“

Jüngstes Beispiel dieser Abweichung von der auch unter Christdemokraten längst vollzogenen Preisgabe des antitotalitären Konsenses: Schünemann teilte Ende vergangener Woche die Lageeinschätzung der Polizei und das daraus resultierende einstweilige Verbot einer Demonstration des DGB „gegen Neonazis“ in Bad Nenndorf (siehe Meldung Seite 5). Seine Beamten kamen zu dem Schluß, daß „deutlich mehr gewalttätiges Potential aus dem linksautonomen Spektrum zu erwarten ist als auf seiten der ‘Autonomen Nationalisten’“.

„Skandal!“ schrieen unisono linke Oppositionspolitiker, allen voran Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel, der bei der schließlich doch noch genehmigten DGB-Kundgebung Seit‘ an Seit‘ mit vermummten Linksextremisten demonstrierte. Und so muß Schünemann nun am Donnerstag vor dem Landtag Rede und Antwort stehen, weil er angeblich die Justiz mit einer falschen Gefahrenprognose getäuscht habe. Dreihundert aufmarschierte Linksextremisten und mehrere verletzte Beamte sprechen allerdings für Schünemann.

Der kennt eben seine Pappenheimer, liegt die niedersächsischen „Autonomen“-Hochburg Göttingen doch unweit seiner Vaterstadt Holzminden. Hier wurde er 1964 geboren, stand bei den Pionieren und absolvierte eine kaufmännische Ausbildung in der Branche, die die Stadt berühmt machte: der Parfüm- und Aromaproduktion. Hier war er Bürgermeister, und für Holzminden sitzt er seit 1994 im Landtag, wo er Christian Wulff als Parlamentarischer Geschäftsführer auf dem Weg zur Regierungsübernahme 2003 diente.

Seit Ende der Ära Wulff verstärkt sich allerdings der Eindruck, daß der Sicherheits-„Hardliner“ Schünemann – eigentlich kein genuin konservativer Politiker – recht isoliert dasteht. Als er etwa forderte, jungen Straftätern den Führerschein zu entziehen, meldete Justizminister Busemann sogleich Bedenken an; als die von ihm mit Nachdruck verfochtenen verdachtsunabhängigen Moschee-Kontrollen in die Kritik gerieten, sprang ihm kein namhafter Parteifreund bei. Im Gegenteil: Schünemanns Ressort wurde sogar die Zuständigkeit für Integration entzogen und von Wulff der Vorzeige-„Migrantin“ Aygül Özkan zugeschanzt (JF 18/10). Daß diese in den ersten Amtsmonaten kein Fettnäpfchen ausließ und zuletzt einen Moschee-Besuch absagen mußte, weil das Innenministerium die betreffende Gemeinde islamistischer Verbindungen zieh, könnte jemanden aus Holzminden, der „Stadt der Düfte und Aromen“, daran erinnern, daß Rache süß ist.

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