© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/10 20. August 2010

Renate Künast jagt den Partymeister
Berlin: Obwohl in der Hauptstadt erst in einem Jahr gewählt wird, scheint die CDU im rot-grünen Kampf um die Macht bereits jetzt völlig chancenlos
Ronald Berthold

Renate Künast oder Klaus Wowereit, Rot oder Grün – darauf läuft derzeit die Abgeordnetenhauswahl in Berlin am 4. September kommenden Jahres hinaus. Beide Parteien liefern sich in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen, taxiert bei je 27 Prozent. Die Hauptstadtmedien sind fasziniert von dem Zweikampf. Dabei hat Renate Künast ihren Hut noch gar nicht in den Ring geworfen. Die Zeitungen drängen sie zwar zu einer Kandidatur für das Amt des Regierenden Bürgermeisters, bisher hält sie sich jedoch bedeckt. Dies ist aber offensichtlich allein der Taktik geschuldet. Denn nichts verkauft sich besser als Spekulationen. Trotz inhaltlicher Leere, die sie in nichts von Wowereits SPD unterscheidet, bleiben die Grünen so ständig in der Diskussion.

Ebensowenig Aufbruchsstimmung versprüht die CDU – mit allerdings entscheidenden Nachteilen gegenüber der rot-grünen Konkurrenz. Sie kann zum einen keinen prominenten Kopf bieten wie Wowereit oder Künast. Und zum anderen befindet sich die Hauptstadt-Union ständig in der Defensive. Journalisten und die anderen Parteien verlangen permanent eine Abgrenzung nach rechts, der der blasse Parteichef Frank Henkel auch gern nachkommt. So will Henkel, der einst zum konservativen Flügel gehörte, nach der Sommerpause den islamkritischen Abgeordneten René Stadtkewitz aus der Fraktion ausschließen lassen, weil dieser Geert Wilders nach Berlin eingeladen hat. Das Wort „menschenverachtend“ fehlte in Henkels Brief an den Pankower Parlamentarier nicht. Er werde „es nicht dulden, daß Mitglieder der Fraktion Personen zu Veranstaltungen einladen, die ein derartiges Gedankengut verbreiten“.

Die Medien feierten Henkels „Machtwort“ , aber die Wähler wollen den Kurs nicht goutieren. Bei 17 Prozent stagniert die CDU. Und das in einer Stadt, in der sie mit einem Innensenator Heinrich Lummer über Jahre an der absoluten Mehrheit kratzte. Seit 2001 wird Berlin von Rot-Rot regiert, doch die CDU kann in der einst am meisten unter den Kommunisten leidenden Stadt davon so gar nicht profitieren. Wenn sich an ihrer Politik und damit an der Wahrnehmung durch den Wähler nichts ändert, könnte die Union hinter der Linkspartei auf dem vierten Platz einlaufen. Eine solche Demütigung in der Hauptstadt hätte sich der Angela-Merkel-Wahlverein allerdings verdient. Konservative Wähler, von denen es in Berlin etliche gibt, sind in die Heimatlosigkeit gejagt wurden. Gemeinsam mit allen anderen Parteien macht die CDU derzeit Stimmung gegen die Wählerinitiative Pro Berlin.

Die Frustration über das Angebot der politischen Parteien dürfte zu massiver Wahlenthaltung führen. Unter den verbliebenen Wählern liegen die Grünen also vorn. Dies mag überraschen, da Wowereit außerhalb der Stadtgrenzen immer noch als modernes Aushängeschild verkauft wird. In Wirklichkeit aber hängt er dem SPD-Bundestrend von 30 Prozent hinterher. Die Grünen können die Verschlissenheit des Partymeisters für sich nutzen, weil die Union ihre Stammwähler vergrault und im linken Milieu, in das sie einbrechen will, nicht wahrgenommen wird.

Die Ökopartei nutzt geschickt den Vorteil, seit der Wiedervereinigung – von einer kurzen Übergangszeit abgesehen – nicht in der Landesregierung gesessen zu haben. Wenn sie im Widerspruch zur Senatspolitik steht, dann dokumentiert das höchstens ihre noch radikalere Herangehensweise.

Das Integrationsgesetz, das vor allem der CDU Anlaß zu echter Oppositionsarbeit geben könnte, erfuhr nur Widerspruch von links. Öffentliche Aufträge sollen demnächst nur noch an Unternehmen gehen, die über „interkulturelle Kompetenz“ oder Zweisprachigkeit verfügen. Hiermit ist ein Migrationshintergrund gemeint, der auch für Beförderungen und Einstellungen im Öffentlichen Dienst künftig als Bedingung gilt. Ziel ist ein Anteil von Migranten in den Verwaltungen, der deren Bevölkerungsanteil entspricht. Die Grünen kritisierten, daß ihnen diese Benachteiligung deutscher Beamter und Unternehmer nicht weit genug gehe. Die dritte Generation der Ausländer soll nämlich nicht unter das Gesetz fallen, was den Grünen bitter aufstößt. Auch die CDU mäkelt nur aus Sicht der Ausländer und meint, „es bringt den Migranten so gut wie nichts“.

Ein Thema, das ihre Wähler aufregt, hat die Union dort liegenlassen, wo die politische Zukunft der Hauptstadt zementiert zu sein scheint: links. 

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