© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/10 27. August 2010

Enorme Vorleistungen erbracht
Landwirtschaft: Die EU will Milliarden Euro einsetzen, um die Klimaeffizienz in der Nahrungsmittelerzeugung zu verbessern
Harald Ströhlein

Die EU und Deutschland rüsten zum Generalangriff: Mit Hilfe des Finanzprogramms zur Förderung der ländlichen Entwicklung (ELER) soll der besonderen Bedeutung des Klimawandels unter der offiziellen Bezeichnung „Neue Herausforderungen“ mit aller Entschlossenheit Rechnung getragen werden. Mit neuen strategischen Leitlinien und einem milliardenschweren Finanzierungspaket werden die sogenannten Erneuerbaren Energien, die Wasserwirtschaft und nicht zuletzt die Umstrukturierung der Milcherzeugung neu definiert, um den Treibhausgasemissionen (Kohlendioxid/CO2, Methan/CH4) endlich Herr zu werden.

Daß der EU-Agrarrat sein Ansinnen in einer Phase manifestierte, in der die Landwirtschaft per se als einer der globalen Klimaschänder statuiert wurde, ist nachvollziehbar. Doch mittlerweile sprechen die Fakten eine andere Sprache. Denn wie kanadische Wissenschaftler kürzlich unzweideutig klarstellten, ist die landwirtschaftliche Nutztierhaltung lediglich für drei Prozent der weltweiten Treibhausgasbildung verantwortlich – und nicht für 18 Prozent, wie uns die Welternährungsorganisation FAO lange Zeit weismachen wollte (JF 4/09).

Daß vor diesem Hintergrund nun ein Strategiewechsel in Brüssel ansteht, ist nicht zu erwarten. Denn schon vor zwei Jahren war hinreichend bekannt, daß sich die Landwirtschaft beim Klimaschutz auch ohne politisches Zutun auf dem rechten Weg befand. So konnten beispielsweise in den vergangenen Jahren die Gasemissionen um fast zwanzig Prozent gesenkt werden. Ferner weist die Land- und Forstwirtschaft in ihrer Klimabilanz schwarze Zahlen aus, da mehr CO2 gebunden als erzeugt wird. Nicht zuletzt leisten die in der Agrarwirtschaft etablierten Bioenergien in all ihren Facetten gegenüber fossilen Energiequellen einen Beitrag zum Umweltschutz.

Gleichwohl ist das aus Brüssel gesteuerte Unterfangen, das Umweltbewußtsein von Landbewirtschaftern mit Steuergeldern zu schärfen, nicht grundsätzlich verwerflich. Ressourcen müssen bedacht genutzt werden, und die geforderte Nachhaltigkeit – ein seit Jahrtausenden gelebtes Prinzip in der Feldbewirtschaftung – wird das Los unserer Erdkugel bestimmen.

Extensive Bewirtschaftung immer besser als intensive?

Allerdings stellt sich die Frage, wie die nicht unerheblichen Mittel eingesetzt werden, die aus der allgemeinen ELER-Förderung zur Verfügung stehen. Bis 2013 sind über neun Milliarden Euro eingeplant, die durch eine nationale Finanzspritze von 8,8 Milliarden Euro aufgestockt wurden. Davon sind fast drei Milliarden Euro für den Schutz des Klimas vorgesehen, wobei der Großteil den Agrar-Umwelt-Maßnahmen zugeteilt ist. Mehr als 250 Millionen Euro sind alleine für die Position „Neue Herausforderung Klimawandel“ vorgesehen.

Daß dabei eher den extensiv wirtschaftenden Produktionstechniken Vorschub geleistet wird, ist zu befürchten. Denn daß ein ökologisches Ideal nicht zwangsläufig mit einem verhaltenen und damit umweltschonenden Einsatz von Produktionsgütern gleichgesetzt werden kann, ist zumindest bei Ackerbau und Viehzucht belegbar und vor dem Hintergrund eines zunehmenden Nahrungsmittelbedarfs einer wachsenden Menschheit in die Entscheidungen einzubeziehen.

Der Fokus ist daher genauso auf intensive und dennoch nachhaltige landwirtschaftliche Bewirtschaftungsweisen zu richten. Gängige Düngemittel wie Kali oder der in absehbarer Zeit aufgebrauchte Phosphor müssen noch zielgenauer – angepaßt an die Bedürfnisse der jeweiligen Pflanzenkulturen – zum Einsatz kommen. Gleiches gilt für Pflanzenschutzmittel wie Herbizide oder Insektizide.

Nur jene Mengen- und Spurenelementformen wie etwa Zink dürfen an Nutztiere verfüttert werden, die effizient im Organismus umgesetzt werden, so daß ein möglichst geringer Anteil in die Umwelt gelangt. Noch mehr müssen die Haltungsformen auf die Bedürfnisse der Tiere zugeschnitten werden, um die erschreckende Vielfalt an Technopathien (durch Haltungsverfahren bedingte Erkrankungen oder Verhaltensstörungen) einzugrenzen. In diesem Zusammenhang ist der Einsatz von Medikamenten zu hinterfragen, der sich auf die Therapie von „echten“ Krankheiten konzentrieren sollte.

In diesen Bereichen haben Wissenschaft und Wirtschaft in den letzten Jahren enorme Vorleistungen erbracht. Nun gilt es, daß solch ressourcenschonende Innovationen auch in der Praxis – und das in der breiten Masse – umgesetzt werden. In diesem Punkt muß der bestehende Agrar-Umwelt-Maßnahmenkatalog auf den Prüfstand gestellt werden. Der Politik wird damit das sprichwörtliche Silbertablett gereicht. Die bereits bestehenden Optionen bieten die Chance, daß die milliardenschweren Finanzmittel nicht politischer Agitation verfallen, sondern vielmehr im Sinne der Nachhaltigkeit eingesetzt werden.

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