© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/10 03. September 2010

Frisch gepresst

Deportiert nach Hause. Der 8. Mai 1945 ist ein Tag der Befreiung. Das dachten zumindest viele sowjetische Kriegsgefangene in deutscher Gewalt und Zwangsarbeiter aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten zwischen Wolga und Dnjestr, die ins Deutsche Reich verschleppt wurden und vielfach in der Rüstungsindustrie schuften mußten. Oftmals kamen die Befreiten in Stalins Reich danach aber vom Regen in die Traufe und verschwanden im Gulag, galten sie im sowjetischen Duktus doch als „Verräter der Heimat“, da sie nicht bis zur letzten Patrone gekämpft hätten oder weil sie mit ihrer Arbeit für den Feind den „Sieg über den Faschismus“ behinderten. Das österreichische Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung hat sich dieser blutigen Form der „Repatriierung“ bereits in mehreren Publikationen gewidmet. In der jüngsten von Peter Ruggenthaler und Walter Iber herausgegebenen Studie wird dieser Forschungsgegenstand auch auf jene Gebiete ausgedehnt, die infolge der sowjetischen Vorkriegspolitik in den Einflußbereich Stalins gerieten – das Baltikum, die vor 1939 polnischen Gebiete Weißrußlands und die Ukraine (Hitlers Sklaven –Stalins „Verräter“. Studien Verlag, Innsbruck 2010, gebunden, 382 Seiten, Abbildungen, 36,90 Euro). Personen dieser Regionen waren dem Vorwurf direkter Kollaboration mit den Deutschen natürlich noch stärker ausgesetzt, was letztlich dazu führte, daß diese sich nach 1945 als „Displaced Persons“ in Deutschland mit Händen und Füßen gegen eine Zwangsrepatriierung sträubten. Deshalb haben die auf erstmals zugängliche sowjetische Quellenbestände zugreifenden Beiträger – meist osteuropäische Historiker – auch die Kaukasusvölker in ihre Studie mit einbezogen, für die der Vorwurf durch ihren aktiven Kampf an der Seite der Wehrmacht erst recht galt – mit oft brutalen Konsequenzen.

 

Täuschwirtschaft. Der Wirtschaftsjournalist Alexander Dill redet gern Tacheles. So haut er mit Freude Politikern publizistisch auf die Finger, die unter Anleitung von Roland Berger, Mc Kinsey et al. volkswirtschaftlichen Unsinn verzapfen, oder beleuchtet, wie „im Windschatten der Weltfinanzkrise die Staatskassen geplündert werden“. In seinem jüngsten Buch macht er auf wirtschaftliche Phänomene aus unserem Alltag aufmerksam, die er als betrügerische „Täuschwirtschaft“ entlarvt (Wie die Wirtschaft sich selbst und uns alle betrügt. Finanzbuch Verlag, München 2010, broschiert, 190 Seiten, 14,95 Euro). Diese Systematik, durch „asymmetrische“ Informationen den Partner übers Ohr zu hauen, wurde nicht nur bei Bernie Madoff praktiziert, sondern sei mittlerweile fester Bestandteil im hiesigen Wirtschaftsbetrieb, wie Dill anhand von ominösen „Restschuldversicherungen“ oder Mogelpackungen bei Windeln praxisnah und treffsicher nachweist.

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