© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/10 03. September 2010

Meldungen

Sonderschulen verletzen die Menschenrechte

BERLIN. Eine halbe Million Kinder besuchen in Deutschland die „Hilfsschule“, die um 1900 eingeführt wurde, um als „Schonraum“ kranke, behinderte oder obdachlose Kinder aufzunehmen, lange „Sonderschule“ hieß und heute „Förderschule“ heißt. Soweit diese Einrichtung Teil des gegliederten Schulsystems ist, macht die Berliner Bildungssoziologin Lisa Pfahl das System als Ganzes verantwortlich für eine an Förderschulen organisierte „Praxis der Aussonderung“, die für die Betroffenen auf dem Weg über einen minderwertigen Schulabschluß direkt in die Arbeitslosigkeit, Abhängigkeit und Armut führe. Dabei bedingten keineswegs individuelle Defizite „schulische Behinderungen“, sondern die unverschuldete „sozioökonomische Benachteiligung“, denn der größte Teil dieser Schüler stamme aus armen Familien. Daß in Deutschland auf diese soziale Misere mit schulischer Aussonderung reagiert werde, habe bereits die UN-Menschenrechtswächter auf den Plan gerufen. Das hiesige Sonderschulwesen verletze das Menschenrecht auf Bildung. Aus Pfahls Sicht hätten die Kultusminister eigentlich nur noch die Option, Sonderschulen aufzulösen, was in einigen Bundesländern immerhin schon diskutiert werde (WZB-Mitteilungen 128/10).

 

Naturrecht heute: Wie fixiert man „Normales“?

WIEN. Wer einen Pädophilen als Kindergärtner einstelle, handele fahrlässig. Denn dessen sexuelle Begierden könnten mit denen eines „normal Veranlagten nicht auf eine Stufe“ gestellt werden, wie der Philosoph Robert Spaemann dekretiert (Internationale Katholische Zeitschrift Communio, 2/2010). Die schwierige Definition dessen, was „Normalität“ überhaupt sei, fällt jedoch nur dann um einiges leichter, wenn man auf dem Boden des Naturrechts steht. Und so ist Spaemanns Reflexion über „Menschenwürde und menschliche Natur“ konsequent eingebettet in ein Themenheft der Communio zum Schwerpunkt „Naturrecht heute“. Katrin Meys Studie zur Kontroverse zwischen dem „kulturrelativistischen“ Staatsrechtler Hans Kelsen und dem auf überzeitlich gültige Normen und Werte pochenden Philosophen Leo Strauss führt die USA auch im 20. Jahrhundert als wahren Hort des „Naturrechtsvertrauens“ vor. Der Staatsrechtler Christian Hillgruber zeigt in seinem Beitrag über „Grundgesetz und Naturrecht“ hingegen das eher alteuropäisch „gebrochene“ Verhältnis zu den ahistorisch-abstrakten Konstruktionen des Naturrechts und den Glauben der Verfassungsväter an die kulturelle Bedingtheit von Menschenrecht und Menschenwürde auf. Was wiederum erklärt, daß die Karlsruher Richter ganz anders als Spaemann erhebliche Probleme mit der Fixierung von „Normalität“ haben.

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