© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/10 03. September 2010

Sommerhits
Freudsuche
Christian Dorn

Wann wird´s mal wieder richtig Sommer?“ Die Frage, die einst Rudi Carrell besang, scheint nicht mehr aktuell, wohl aber die nach dem Schlager dieses Sommers. Denn die neuen Sommerhit-CDs zeigen, daß es „den“ Sommerhit gar nicht gibt. Dabei ist dessen Herstellung eine ganz rationale Sache – zumindest für Robert Till, Professor für Musiktechnologie an der englischen University of Huddersfield. Der Professor hat just die richtige Formel für den perfekten Sommerhit entdeckt. Dessen „Catchiness-Quotient“ errechne sich aus verschiedenen Variablen: der Anzahl der Akkorde (möglichst nur drei), der Spanne zwischen tiefstem und höchstem Ton des Refrains (maximal 16 Halbtonschritte), der Attraktivität des Interpreten, der Zeit zum Erlernen der Tänze sowie der Durchschnitts­temperatur des britischen Sommers – je kälter, desto größer sei die Sehnsucht nach einem Sommerhit. Der Text spielt offenbar keine Rolle, jedenfalls nicht in Deutschland, wo einem manches „spanisch vorkommt“: So geschehen 1983 mit dem Sommerhit „Vamos a la Playa“ des italienischen Duos Righeira, das eine postnukleare Strand-Apokalypse beschwor. Dann doch vielleicht besser gleich Paul Gerhardts Evergreen von 1656: „Geh aus, meine Herz, und suche Freud“ (Melodie von August Harder, circa 1812).

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen