© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/10 10. September 2010

Ein Märchen aus alten Zeiten
Nordrhein-Westfalen: Die Junge Union sorgt sich um die Zukunft der CDU und muß erkennen, daß diese längst keine Volkspartei mehr ist
Ansgar Lange

Die Junge Union Nordrhein-Westfalen macht sich Sorgen um die Zukunft der Partei. Am vergangenen Wochenende hatte der CDU-Nachwuchs daher zu einem Kongreß ins Palais Wittgenstein in Düsseldorf geladen, um sich mit der Frage zu beschäftigen „CDU – Volkspartei ohne Zukunft?“

Dem Landesvorsitzenden Sven Volmering zufolge steht die CDU an einem Scheideweg. Die Niederlage bei der Landtagswahl in NRW sei kein „lucky punch“ gewesen. Der Landesvorsitzende übt Kritik an der Parteivorsitzenden Angela Merkel, die sich stets beharrlich geweigert habe, Wahlanalysen betreiben zu lassen. So wurschtelt sich die CDU durch von Wahl zu Wahl. Die Wahlergebnisse werden immer schlechter, die Umfragewerte sinken, und die konservativen Stammwähler bleiben zu Hause. Der Status als Volkspartei ist akut gefährdet. Es reiche nicht aus, so Volmering, die Parteimitglieder nur in Form einer Mitgliederbefragung darüber zu beteiligen, ob nun Armin Laschet oder Norbert Röttgen das Ruder an Rhein und Ruhr übernimmt. Insbesondere eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Grünen sei geboten, die nicht nur bei den jungen Wählern zu einer ernsthaften Gefahr für die Union würden.

Der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Emnid, Klaus-Peter Schöppner, stellte klar, daß die CDU schon keine Volkspartei mehr ist. Zwei Drittel derjenigen, die aus Enttäuschung kein Kreuzchen mehr bei der C-Partei machen wollten, gingen gar nicht mehr zur Urne. Auch wenn das Thema einer Partei rechts von der Union – Schöppner hat hierzu eine Studie erstellt – erstaunlicherweise und entgegen der Ankündigung kaum eine Rolle im Palais Wittgenstein spielt: Der Meinungsforscher hat augenscheinlich kein Faible für die Totschlagvokabeln „Rechtspartei“ oder „rechtspopulistische Partei“. Es handele sich eher um ein Wählerreservoir rechts von der aktuellen, durchsozialdemokratisierten Union. Denkt man diesen Satz zu Ende, dann hat Franz Josef Strauß’ Diktum, rechts von der Union dürfe sich keine ernstzunehmende Partei bilden, in der jetzigen Situation keinerlei Berechtigung mehr.

Auf die Frage, welche Konsequenzen der „Fall Sarrazin“ für die Existenz der Volksparteien habe, da hier ja  „Elite“ und Volk augenscheinlich völlig voneinander entfernt zu sein scheinen, gibt Schöppner keine klare Antwort. Die Deutschen teilten viele der Thesen des Sozialdemokraten zur Integrationspolitik. Dabei seien die Deutschen in ihrer Mehrheit „massiv ausländerfreundlich“. Die Behandlung Sarrazins wecke ein „Ungerechtigkeitsgefühl“ in der Bevölkerung.

Spitzen gegen Ursula von der Leyen

In der anschließenden Diskussionsrunde, die von Nathanael Liminski (JF 35/10), Chefredakteur der JU-Zeitschrift BISS 35 moderiert wurde, machte der Applaus bei manchen Spitzen in Richtung Ursula von der Leyen deutlich, daß die Ikone der „modernen“ CDU bei einem Großteil des aktiven Parteinachwuchses offenbar nicht so wohlgelitten ist. Für ihre Äußerung, daß sie keine fünf Punkte benennen könne, für welche die CDU steht, bekam die Journalistin und vierfache Mutter Birgit Kelle großen Beifall. Es gebe keine CDU-Familienpolitik mehr. Dem Argument der Pofallas und Co., daß es auf die katholischen oder konservativen Stammwähler gar nicht mehr ankomme und neue Wählerschichten erschlossen werden müssen, hielt Liminski eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung entgegen, die aber schnell wieder in der Versenkung verschwunden sei. Vielleicht wegen des Befundes, daß jedes zweite Mitglied der CDU praktizierender Katholik ist. Katharina Fey, jugendpolitische Referentin beim BDKJ-Diözesanverband Essen, wies jedoch darauf hin, daß ihr Verband oft leichter mit anderen politischen Parteien ins Gespräch komme als mit einer sehr reservierten CDU.

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