© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/10 17. September 2010

„Feindselige und aggressive Reaktionen“
Geschichtspolitik: Erika Steinbach beklagt auf dem Tag der Heimat mangelnde Unterstützung für das Vertriebenenzentrum und rechnet mit ihren Kritikern ab
Ekkehard Schultz

Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, hat am vergangenen Samstag auf dem „Tag der Heimat“ mit deutlichen Worten die Kritik an der Vertriebenenorganisation zurückgewiesen. Hinter den zahlreichen Angriffen gegen den BdV, die sachlich unberechtigt seien, würden sich in Wirklichkeit generelle Abwehrreflexe gegen die Errichtung einer nationalen Erinnerungsstätte für die deutschen Vertriebenen verbergen.

Vor rund 1.500 Zuhörern im Berliner Internationalen Congress Centrum (ICC) zog Steinbach eine Bilanz über die bisherigen Bemühungen, ein Zentrum gegen Vertreibungen in der Mitte der deutschen Hauptstadt zu errichten. Als 1999 im Präsidium des BdV darum gerungen wurde, eine Stiftung zur Erinnerung an die Vertreibung von rund 15 Millionen Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg zu gründen, hätte sich „kein Beteiligter träumen lassen, was damit in den Folgejahren bis zum heutigen Tage ausgelöst werden würde“, sagte Steinbach. Von Anfang an hätten die Gegner des Projektes keine Mühe gescheut, das ganze Vorhaben durch „feindselige und aggressive Reaktionen“ zu blockieren oder sogar ganz zu verhindern.

Steinbachs Rede war mit Spannung erwartet worden, nachdem es am Mittwoch vergangener Woche während einer Klausur der Unionsfraktion zu einem heftigen Streit gekommen war, in dessen Folge Steinbach ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur für das CDU-Präsidium bekanntgab. Anlaß für den Streit war die nach Ansicht der BdV-Präsidentin mangelhafte Unterstützung ihrer Fraktion für das Vertriebenenzentrum. Im Zentrum standen die öffentlichen Angriffe gegen die CDU-Politiker Arnold Tölg und Hartmut Saenger. Beide waren vor zwei Monaten vom Bundestag als stellvertretende Mitglieder des Beirates der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung gewählt worden, standen jedoch seither wegen vermeintlich revanchistischer und revisionistischer Äußerungen unter massivem Druck (JF 31-32/10). Steinbach wies in ihrer Rede die Kritik dagegen als „absurde Nazi-Vergleiche“ zurück. Sowohl Tölg als auch Saenger seien „durch und durch Demokraten“, die es in keiner Weise verdienen würden, „derartig an den Pranger gestellt zu werden“. Ihnen auch nur ansatzweise „den Willen zur Versöhnung abzusprechen“, sei daher „eine Ungeheuerlichkeit“, sagte Steinbach.

Allerdings seien diese Angriffe nur ein Symptom für ein weit tiefer liegendes Problem, betonte die BdV-Vorsitzende. Das gesellschaftliche Interesse an den deutschen Vertreibungsopfern sei bis heute leider sehr gering, beklagte Steinbach. So hätte etwa an den zahlreichen Einweihungen von Massengräbern deutscher Opfer in Mittel- und Osteuropa „niemals ein deutscher Minister oder gar Kanzler oder gar Bundespräsident teilgenommen“. Dabei sei es eine Frage des Charakters und der Selbstachtung einer Nation, wie sie mit ihren Toten umgehe.

Warnung an die eigene Partei

Zudem wandte sich Steinbach gegen eine Aufrechnung von „Ursache und Wirkung“ in Hinblick auf die deutschen Vertreibungsopfer sowie ihre Nachfahren. Lediglich mit dem Verweis auf die Verbrechen des Nationalsozialismus dürfe die „menschliche und kulturelle Dramatik dieser Massenverbrechen weder relativiert noch gerechtfertigt werden“. Keine Barbarei sei durch eine andere zu entschuldigen. „Auch für deutsche Vertreibungsopfer gelten natürlich die Menschenrechte unabdingbar, uneinschränkbar und unrelativierbar“, sagte Steinbach. Mit Blick auf den Streit über ihre Äußerungen zum Kriegsausbruch 1939 (siehe Seite 17) sagte sie, jeder wisse, wer den Zweiten Weltkrieg begonnen habe: „Hitler hat die Büchse der Pandora geöffnet.“

Im Hinblick auf ihre eigene Partei erinnerte die langjährige Bundestagsabgeordnete daran, daß CDU und CSU die einzigen Parteien gewesen seien, die die Gründung eines Zentrums gegen Vertreibungen von Anfang an unterstützt hätten. Daher sollte die Union die Idee nun „nicht kaputtreden“ und vor allem die früheren Versprechungen auch tatsächlich in die Realität umsetzen. Grundsätzlich müsse man „in einer Demokratie seine Meinung offen sagen“ können, „ohne dafür gleich an den rechten Rand gestellt zu werden.“ Der Union warf sie zudem vor, „ganz verschämt, ganz verschüchtert“ konservative Positionen zu verschweigen.

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