© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/10 17. September 2010

Ein einträgliches Geschäft
Integration: Zahlreiche Institutionen und Organisationen verdienen seit Jahrzehnten gut an der Einwanderung nach Deutschland
Hans Christians

Segen oder Fluch? Seit der von Thilo Sarrazin angestoßenen Debatte um die gescheiterte Integration von Zuwanderern, sind auch die finanziellen Belastungen für den Steuerzahler wieder in den Fokus der öffentlichen Diskussionen gerückt. „Was bringt uns die Zuwanderung?“ fragte eine Tageszeitung am Wochenende. Man könnte die Frage auch anders stellen: Wer profitiert von der Zuwanderung?

Derzeit geht man in der Bundesrepublik von rund 15 Millionen Zuwanderern aus, davon sind vier Millionen mehr oder weniger schlecht integriert. Wissenschaftler haben bereits vor einem Jahr im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung die Kosten geschätzt, die entstehen werden, falls ganze Generationen von Zuwanderern wirtschaftlich nicht erfolgreich sein sollten: Dem Staat würden jährlich zwischen 12 und 16 Milliarden Euro Kosten durch entgangene Steuern beziehungsweise durch Sozialabgaben entstehen. Dieses Dilemma ist zweifelsohne selbstverschuldet.

An Geld mangelt es kaum

Die dritte Generation von Türken gilt als auffallend schlecht integriert und die männliche Zunft importiert fleißig Nachwuchs: „Die jungen Türken in den Ghettos suchen sich ja keine Frau mit höherem Bildungsstandard. Die suchen in der Heimat ihrer Eltern ein Mädchen, welches dem klassischen Rollenverständnis entspricht und holen dies nach Deutschland“, schildert Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) die Praxis der Familienzusammenführung im multikulturellen Berlin. So ist im Laufe der Jahre eine Unterschicht von Zuwanderern entstanden, die für den Arbeitsmarkt kaum zur Verfügung steht.

An Geld mangelt es dabei nicht. Schätzungsweise zwei Milliarden Euro und mehr geben Bund, Länder und Gemeinden jedes Jahr für die Integration aus. Angeboten werden Kurse, Schulungen und Konfliktberatungen. Allein im Bundeshaushalt sind 750 Millionen Euro für diese Aufgaben vorgesehen. So ist ein Netz an Sozialarbeitern, Pädagogen und „Krisen-Managern“ entstanden, die von der gescheiterten Integrationspolitik profitieren. Daraus ergeben sich groteske Situationen. Kann ein Hauptschullehrer ein Interesse daran haben, daß das Bildungsniveau von Einwanderer-Kindern so steigt, daß er sich am Ende selbst überflüssig macht? Die türkischstämmige Frauenrechtlerin Seyran Ates schreibt: „In den letzten Jahren ist tatsächlich eine Art ‘Integrationsindustrie’ entstanden, die davon lebt, daß Integration nicht stattfindet. Wer will sich schon selbst wegrationalisieren?“ Vor allem in den sogenannten Wohlfahrtsverbänden ist in der Vergangenheit ein regelrechter Wasserkopf entstanden. Seit dem Jahr 2000 sind jährlich rund 156 Millionen Euro alleine von großen Sozialverbänden wie Caritas, Diakonisches Werk oder Arbeiterwohlfahrt für die Integration von Zuwanderern aufwandt worden. Davon trugen die Verbände je nur rund 20 Prozent, der Rest kam von Bund, Ländern und Kommunen.

Wirkungsvoller Protest von Lobbyisten

Allein die Caritas, die der katholischen Kirche nahesteht, beschäftigt in knapp 600 Einrichtungen mehr als 1.200 Personen hauptamtlich mit dem Thema Integration. Rechnet man diese Zahl auf die gesamte Verbandsszenerie hoch, bedeutet dies, daß allein im Sozialbereich rund 3.500 Menschen hauptamtlich mit der Integration beschäftigt sind. Dies verursacht Personalkosten in Höhe von rund 150 Millionen Euro, wobei die Staatsdiener in den Ministerien und Ausländerbehörden noch nicht eingerechnet sind. Und die Zahlen könnten schnell weiter in die Höhe schnellen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stellte in der vergangenen Woche einen Kabinettsbeschluß vor, der die Eingliederung von Ausländern verbessern soll. Im Mittelpunkt stehen Bildung und Sprachförderung von Einwanderern.

Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Albert Schmid, forderte prompt mehr Lehrer mit Migrationshintergrund. Das unter der Federführung des BAMF erarbeitete Integrationsprogramm unterbreitet Vorschläge für die Weiterentwicklung der Angebote von Bund, Ländern, Kommunen und freien Trägern. Schwerpunkt ist die Bildung. Das Programm geht auf die Empfehlungen der Zuwanderungskommission aus dem Jahr 2001 zurück. Einigen Vertretern von Sozialverbänden geht die staatliche Gießkannen-Politik noch nicht weit genug. „Es ist scheinheilig, einerseits über die angeblich mangelnde Integrationsbereitschaft von Migranten zu klagen, wenn andererseits nicht einmal genug Geld zur Verfügung gestellt wird, damit alle, die ihre Deutschkenntnisse verbessern wollen, dies auch tun können“, kritisierte Eberhard Jüttner, Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Zwar sei das Integrationskonzept ein wichtiger Schritt, doch müsse sich die Bundesregierung nach Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit fragen lassen, wenn sie nicht die Mittel für die Umsetzung bereitstelle, sagte er. Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbands haben sich mehr als 100 Organisationen von Einwanderern zusammengeschlossen. Sein Protest dürfte schon Wirkung gezeigt haben. Der Innenminister kündigte schnell einen weiteren Integrationsgipfel zum Jahresende an. Der Rubel dürfte also weiter rollen.

 

Stichwort: Integrationskurse

Die 2005 eingeführten Integrationskurse sollen die Eingliederung von Einwanderern in Deutschland erleichtern und umfassen nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge jeweils 645 Unterrichtseinheiten. Den ersten Teil, bestehend aus 600 Einheiten, bildet der Sprachkurs. Der zweite Teil beinhaltet die Themen „Politik in der Demokratie“, „Geschichte und Verantwortung“ und „Mensch und Gesellschaft“. Rund 1.800 private und öffentliche Einrichtungen sind berechtigt, Integrationskurse zu veranstalten. Bislang haben mehr als 300.000 Einwanderer an einem solchen Kurs teilgenommen.

Foto: Integrationskurs für Ausländer in Frankfurt am Main: 150 Millionen Euro Personalkosten

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