© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/10 24. September 2010

Echte Unternehmer braucht das Land
Ordnungspolitik: Nur wenn die persönliche Haftung wieder gilt, kann die Wirtschaft dauerhaft gesunden
Marco Meng

Der Ulmer Motorenöl-Hersteller Liqui Moly wirbt damit, daß er in Deutschland Arbeitsplätze schafft, Steuern zahlt und ausbildet. Der geschäftsführende Gesellschafter Ernst Prost rechnet im Gegensatz zu den mit Vollkasko-Verträgen abgesicherten Managern langfristig. Die Strategie von familien- und inhabergeführten Firmen ist nicht auf Quartalszahlen ausgerichtet. Sie erliegen selten dem Wahn von Diversifikation und Wachstum, sondern sie konzentrieren sich auf ihr Kerngeschäft als ehrbare Kaufmänner.

Müßten die Vorstände und Aufsichtsräte der privaten wie staatlichen Aktiengesellschaften persönlich haften, würden ihre Entscheidungen häufig anders aussehen. Während sich Konzerne fiskalisch gerne ins Ausland absetzen, bleibt der deutsche Mittelstand heimatverbunden. Doch obwohl Politiker gerne vom Mittelstand als dem „Rückgrat der Wirtschaft“ sprechen, ist ihr Handeln auf die Befindlichkeiten multinationaler Konzerne fokussiert und oft sogar mittelstandsfeindlich.

Nachteilige Regelungen für den deutschen Mittelstand

Dazu gehören Verschärfungen bei der Abrechnung von Sozialbeiträgen, restriktive Abschreibungsbedingungen, erschwerte Geltendmachung von Zins­aufwendungen und Verlusten sowie die Besteuerung von Kosten, die im Unternehmen entstehen sowie die bereits bei Rechnungslegung fällige Mehrwertsteuer. Die derzeitige Form der Abgeltungssteuer führt bei Personengesellschaften dazu, daß derjenige, der Eigenkapital zur Finanzierung von Investitionen bereitstellt, steuerlich bestraft wird.

In den letzten Jahren haben auch einige mittelständische Unternehmen den Börsengang gewagt. Fast immer behält dabei die Gründerfamilie die Stimmenmehrheit. Doch die Aktienmehrheit zu besitzen, bedeutet nicht automatisch, ein echter Unternehmer zu sein, das bewies unlängst das Familienunternehmen Schaeffler. Der überteuerte Kauf des Autozulieferers Continental hat zu Milliardenschulden geführt. Die Banken Warburg und Metzler sind mit an Continental beteiligt. Wenn nicht der haftende Inhaber die Entscheidungen trifft, sondern Personen, die selbst für nichts haftbar zu machen sind, passieren solche fragwürdigen Entscheidungen.

Zudem birgt die Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft das Risiko in sich, von einem Konkurrenten aufgekauft zu werden. Daher verwenden viele AG-Manager einen Großteil ihrer Energie darauf, Übernahmen abzuwehren oder vorzubereiten – immer den aktuellen Aktienkurs im Blick. Um der Gefahr einer „feindlichen Übernahme“ zu entgehen, wird auf nominelles Wachstum gesetzt – koste es, was es wolle. Jürgen Schrempp wollte aus diesem Grund 1998 aus der Daimler-Benz AG einen „Global Player“ formen. Doch DaimlerChrysler wurde ein Milliardengrab zu Lasten der Aktionäre und der Mitarbeiter. Nach Schrempps vergoldetem Abgang hat Daimler die Notbremse gezogen und sich 2007 von dem US-Verlustbringer Chrysler getrennt.

Während in Deutschland nationale Interessen bei Firmenübernahmen nur in bestimmten Ausnahmefällen eine Rolle spielen, kennen die als Hort der Marktwirtschaft gepriesenen USA da kn: Unter George W. Bush wurde Gesetz (FINSA) erlassen, das ausländische Investitionen faktisch unter staatlichen Vorbehalt stellt. 2008 erweiterte Bush zudem die Kompetenzen des Committee on Foreign Investment (CFIUS). Dieser Ausschuß der US-Regierung wacht über Auswirkungen von Fusionen und Firmenübernahmen mit ausländischer Beteiligung – im Zweifel legt das CFIUS sein Veto ein. Das hat nicht nur asiatische oder arabische Investoren getroffen, sondern auch schon europäische Firmen wie Thomson. Das erklärt, warum China seine hart erarbeiteten Dollar-Billionen nicht so einfach in US-Realkapital verwandeln kann.

„Umsatz und Größe sind kein Maßstab in einer gesättigten Wirtschaft. Wichtig ist, wie viele Arbeitsplätze ein Unternehmen hat und wie hoch die Schulden sind, denn mit fremdem Geld kann man viel Umsatz kaufen“, warnt der Mittelständler Wolfgang Grupp. Auf die Frage, warum er nicht die insolvente Schiesser AG übernommen hat, meinte der Inhaber des Textilherstellers Trigema: Besser zehn Firmen mit 1.000 Angestellten als eine mit 10.000.

Kurzfristiger Gewinn gegen langfristigen Erfolg

Daß an stabilen Märkten risikofreudige Anleger mit spekulativen Investitionen nicht viel verdienen können, gibt Bernhard Kaster, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, offen zu. Aber auf die Frage, ob man nicht zwischen Kauf und Verkauf einer Aktie eine Sperrfrist setzen solle, um kurzfristige Spekulationen zu unterbinden, meint er lapidar: Die Möglichkeit der schnellen Käufe und Verkäufe von Aktien gehöre zur bewußt gewollten Marktfreiheit dazu. Grupp sieht es umgekehrt: „Nicht der kurzfristige Gewinn ist wichtig, sondern der langfristige Erfolg.“

Angesichts der längst nicht überwundenen Krise kritisieren immer mehr Ökonomen daher die kurzfristig orientierte Shareholder-Value-Ideologie, die eine Ursache dafür ist, daß AGs häufig nur als Sprungbrett für Karrieristen dienen, die ihren „Marktwert“ erhöhen. Möglich ist das deshalb, weil der Aufsichtsrat Managerverträge absegnet, die auch dann Abfindungen vorsehen, wenn die Firma rote Zahlen schreibt. Als „große Sanierer“ gepriesene Topmanager erwiesen sich in der Praxis letztendlich als Abzocker – ob bei Arcandor (Karstadt/Quelle) oder bei Opel und VW. Der „Lopez-Effekt“ ist in der Autobranche inzwischen ein Synonym für kurzfristige Produktionskostensenkung geworden, die zu Qualitätsmängeln führt.

Die Politik könnte der Verantwortungslosigkeit Grenzen setzen, etwa indem diejenigen, die als Unternehmer für ihre Entscheidungen geradestehen, anders besteuert werden als jene, die keinerlei Haftung für ihre Entscheidungen übernehmen. Doch im Zuge der Finanzkrise geschah das Gegenteil: Private wie öffentliche Zocker-Banken (Commerzbank, HRE) wurden für „systemrelevant“ erklärt, der Steuerzahler mit Milliarden in Haftung genommen.

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