© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/10 24. September 2010

CD: Hasse, Te Deum
Wollüstig
Sebastian Hennig

Eines der berühmtesten Künstler-Ehepaare der europäischen Kulturgeschichte waren der Komponist Johann Adolf Hasse (1699–1783) und die Sängerin Faustina Bordone (1697–1781). Ihre lebensvollen Pastellporträts von der Hand der Rosalba Carierra hängen noch in der Dresdner Gemäldegalerie unter den Potentaten und Zelebritäten der Epoche. Mit dem Regierungsantritt des Sohnes von August dem Starken wurde das Ehepaar Hasse-Bordini fest am Dresdner Hof engagiert.

Hasses Oper „Cleofide“ vermag noch heute den Riesenraum der Semperoper mit dramatischer Spannung zu erfüllen. Der gestrenge Bach qualifizierte die Dresdner Hofmusik als „italienische Liederchen“ ab. Er mußte freilich in Leipzig sein Brot mit Tränen essen, während Hasse und seiner Faustina die Dukaten nur so durch die Hände liefen. Wenn die Obrigkeit in Polen residierte, war der Hofmusikus nebenbei noch Kantor in Venedig und tourte mit seinen Opern durch Italien.

Seine bekannteste Kirchenmusik ist das „Te Deum“ welches zur Weihe der neuen Hofkirche 1751 bestimmt war. Canalettos berühmte Ansicht des Bauwerkes ziert das Beiheft der jetzt erschienen Aufnahme (cpo 2010). In der Dresdner Kathedrale bringen zu jedem Jahreswechsel die Musiker der Staatskapelle dieses „Te Deum“ zum erklingen. Nach den zumeist trübsinnigen verbalen Rückzugsgefechten der Predigt stürmt dann ein kristallklarer Lobpreis von der Empore in das weite Kirchenschiff. Der Raum verschmilzt mit dem Klang zu einem Gesamtkunstwerk. Die aktuelle Misere wird aufgehoben in Zeitlosigkeit, Zuversicht und Einverständnis.

Mit dieser neuen Einspielung wird zugleich die kurze Epoche bis zum Siebenjährigen Krieg zum Erklingen gebracht, in der Dresden tatsächlich eine Hauptstadt der kultivierten Welt war. Die „Batzdorfer Hofkapelle“ hat sich mit Verlebendigungen alter Partituren aus dem Bestand der Sächsischen Landesbibliothek und einem eigenen Barock-Festival im Rittergut Batzdorf bei Meißen einen Namen gemacht. Das 1996 von Matthias Jung gegründete „Sächsische Vocal­ensemble“ widmet sich der alten Musik von Schütz bis Bach. Neben dem unbestreitbaren künstlerischen Niveau und der geistigen Durchdringung mag auch der genius loci seinen Anteil haben an der eindringlichen Auferstehung dieser vorgestrigen Kunst.

Daß bis zur Fertigstellung der Hofkirche die höfischen Gottesdienste im Komödienhaus am Zwinger stattfanden, paßt zur theatralischen Überredungskraft dieser sakralen Kunst der Gegenreformation. Es ist eine zuweilen irrlichternd wollüstige Musik, zart und stark zugleich. Das „Sub tuum praesidium“ stellt in dramatischer Eindringlichkeit die unter den Schutz der Gottesmutter Zuflucht nehmenden dar. Jenes eigentümlich federnde Getänzel, das viele Opernarien von „il caro sassone“, wie Hasse im Süden genannt wurde, antreibt, beherrscht auch den Eingangs- wie den Ausgangsteil des „Regina coeli“. Dazwischen trägt die Altistin Susanne Langner eine eindringliche Fürbitte vor.

Das Stück war zum Beschluß der Auferstehungsfeier am Vorabend des Ostersonntag bestimmt. Der Frohbotschaft entspricht die zuchtvolle Ausgelassenheit der Musik: „Himmelskönigin freue dich, allejuja: Der, den du würdig warst zu tragen, allejuja, ist auferstanden, wie er gesagt hat, allejuja.“

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