© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/10 01. Oktober 2010

Anerkennung auch vom Gegner
Riskant Denken: Das Institut für Staatspolitik blickt auf sein zehnjähriges Bestehen zurück
Baal Müller

Es begann im November 1999: In einem Interview mit der JUNGEN FREIHEIT deutete Karlheinz Weißmann die Notwendigkeit eines Kollegs an, das jungen Menschen staatspolitische Grundbegriffe vermitteln müsse. Hintergrund seiner Überlegungen war einerseits die „Wehrmachtsausstellung“ von Jan Philipp Reemtsmas Hamburger Institut für Sozialforschung, die gezeigt hatte, wie sich ein bestimmtes Geschichtsbild trotz nachgewiesener Fälschungen und begründeter Einwände in der Öffentlichkeit durchsetzen ließ, und andererseits die Ohnmacht konservativer Kreise, dieser politisch-medialen Kampagne etwas entgegenzusetzen.

Von Weißmanns Entwurf unmittelbar angesprochen fühlte sich ein Doktorand der Germanistik, der den Göttinger Studienrat aufgrund gemeinsamer Mitgliedschaft in der aus der Jugendbewegung hervorgegangenen Deutschen Gildenschaft kannte: Götz Kubitschek. Der damalige Endzwanziger konnte sich weder mit der Aussicht auf das gymnasiale Lehramt noch mit einer fraglichen akademischen Perspektive anfreunden; seine aktivistische Grundeinstellung zog ihn zur politischen Arbeit, für die er jedoch in keiner Partei ein geeignetes Forum sah – aus dem Entschluß der beiden in Charakter und Habitus so unterschiedlich gearteten Männer ging im Mai 2000 das Institut für Staatspolitik (IfS) hervor.

Mehr Interessenten, als teilnehmen können

Anfangs etwas augenzwinkernd als „Reemtsma-Institut von rechts“ bezeichnet, löste es sich bald vom gegnerischen Vorbild, da nicht nur das Fehlen eines mäzenatisch tätigen Multimillionärs, sondern auch eine – im Vergleich mit der Einheitlichkeit linker Zielvorstellungen – ausgeprägte Diffusion konservativer Positionen ein ganz anderes Vorgehen erforderten. So muß der Veränderung bestehender Verhältnisse, konservativem Denken entsprechend, eine Änderung der Geisteshaltung vorangehen.

Der metapolitischen Bildungsarbeit widmet man sich nun seit zehn Jahren, und das dabei Geleistete hat auch den Gegnern zähneknirschende Anerkennung abgenötigt. Von Anfang an feste Institutionen sind die an den akademischen Nachwuchs gerichteten Sommer- und Winterakademien, zu denen sich stets mehr Interessenten anmelden als aufgrund der Kapazitäten teilnehmen können, sowie die Berliner Kollegs, die ein breiteres Publikum ansprechen – der Rekord liegt bislang bei 640 Besuchern der Tagung zu „Meinungsfreiheit und Tabu“ mit dem aus der CDU ausgeschlossenen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann und dem General Reinhard Günzel, der ihn brieflich unterstützt hatte. Aufgrund solcher Resonanz wurde der Druck linker Parteien und der gewaltbereiten „Antifa“ auf die Vermieter so groß, daß bereits angemietete Räumlichkeiten in letzter Sekunde abgesagt wurden und ein halbwegs geordneter Ablauf oft kaum noch möglich war. Die mittelfristig geplante Einrichtung einer Geschäftsstelle des Instituts in Berlin mit einer eigenen Tagungsstätte wird diesem Übel möglicherweise Abhilfe schaffen.

Die Durchführung mehrerer Tagungen zum selben Thema an verschiedenen Orten hat sich bislang nur einmal, 2008 zum Thema „Widerstand“, als praktikabel erwiesen; dafür konnte das Bildungsangebot im folgenden Jahr um das Collegium Dextrum erweitert werden, dessen Teilnehmer sich aus den Akademiebesuchern rekrutieren. Flankiert wird deren Schulung durch das in Kubitscheks Edition Antaios erscheinende, auf mehrere Bände angelegte „Staatspolitische Handbuch“; der erste Band zum Thema „Leitbegriffe“, aus der Feder von Karlheinz Weißmann, liegt vor.

Überblickt man das seit der Gründung des IfS vergangene Jahrzehnt, lassen sich drei Abschnitte unterscheiden: die Aufbauphase bis 2003, während der mit Eröffnung der Büros im Rittergut in Schnellroda ein dauerhafter Tagungsort für die Akademien geschaffen wurde; eine Phase der kontinuierlichen Erweiterung bis 2008, in der nicht nur die Bildungsarbeit erweitert, sondern auch eine Studienreihe sowie vor allem die alle zwei Monate erscheinende Zeitschrift Sezession als wichtigstes rechtsintellektuelles Magazin in Deutschland etabliert werden konnte; und eine Phase der Umstrukturierung in den letzten beiden Jahren, die eine weitere Akademisierung und Professionalisierung des Instituts zur Folge hatte.

2008 übergab Götz Kubitschek die IfS-Leitung an den Philosophen Erik Lehnert, der weiterhin von Weißmann als Berater unterstützt wird, womit der Spagat beendet werden sollte, in dem sich das Institut durch seine wissenschaftliche und pädagogische Ausrichtung einerseits und Kubitscheks Neigung zum „politischen Existentialismus“ andererseits befand. So hält Kubitschek die Durchführung provokanter Aktionen, die wenigstens für einen Augenblick die Teilnahme an selbstreferentiellen Diskursen erzwingen, in denen wirklicher Widerspruch unerwünscht ist, durchaus für sinnvoll. Die bislang größte Beachtung fand die Störung einer Lesung von Günter Grass, bei der dieser von Kubitscheks „konservativ-subversiver aktion“ mit dem Verschweigen seiner SS-Vergangenheit konfrontiert wurde.

Noch immer befindet sich das Institut in der von Kubitschek so genannten „Lauerstellung“, aber die dort gepflegte Dreiheit von „Bewahren, Loben und riskant Denken“, die Lehnert mit Hans Ulrich Gumbrecht als Kernaufgaben benennt, ließen es jüngst aus dieser Position heraus  – und mit der IfS-Studie zum „Fall Sarrazin“ sogar in die Amazon-Bestsellerliste hineinspringen.

Dem Jubiläum ist das aktuelle Heft der Sezession „10 Jahre IfS“ gewidmet. Bestellungen: Sezession, Rittergut Schnellroda, 06268 Albersroda, Tel./Fax: 03 46 32 / 9 09 41  www.staatspolitik.de www.sezession.de

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