© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Verhaltene Freude am Rande der Republik
Tag der Deutschen Einheit: Bundespräsident Christian Wulff überlagert mit seiner Rede die Feiern zur Wiedervereinigung in Bremen
Gerhard Vierfuss

Freudenfeuer waren es nicht, die in der Nacht zum Tag der Deutschen Einheit in Bremen loderten. Ein Bagger, drei Autos und ebensoviele Müllkontainer gingen in Flammen auf. Angezündet wurden sie vermutlich von Teilnehmern einer linksextremen Demonstration, die am Sonnabend nachmittag unter dem Motto „Kein Tag für die Nation, Kein Tag für Deutschland“ aus Protest gegen den 20. Jahrestag der Wiedervereinigung durch Bremen gezogen war.

Trotz der Brandstiftungen konnten die Sicherheitsbehörden, die zum Schutz der Einheitsfeierlichkeiten und der komplett versammelten Staatsspitze 3.500 Polizisten in der Hansestadt zusammengezogen hatten, am Montag durchatmen, denn sie hatten weit Schlimmeres befürchtet. Linksextremisten hatten seit Wochen zu gewaltätigen Protesten aufgerufen und in den Tagen vor dem 3. Oktober bereits mehrere Anschläge verübt (JF 40/10).

Die zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit, die in diesem Jubiläumsjahr von Bremen ausgerichtet wurden, blieben davon jedoch unbehelligt. Die Hansestadt lud zu dem seit 1990 üblichen großen Bürgerfest ein, das bereits am Freitagabend mit einem Konzert auf dem Marktplatz begann. Der eigentliche Feiertag wurde mit einem ökumenischen Festgottesdienst im Dom eröffnet. Nach dieser feierlichen Einstimmung gab es die inzwischen schon traditionelle Musikparade zum Tag der Deutschen Einheit. Über 700 Mitglieder von Spielmannszügen, Kapellen und Tanzgruppen aus allen 16 Bundesländern zogen vom Bremer Marktplatz durch die Stadt zum eigentlichen Zentrum des Festes: zur Bremer Überseestadt am Europahafen.

Hier war auf einem weiträumigen Areal die „Ländermeile“ eingerichtet. Die Bundesländer präsentierten sich jedes mit einem eigenen Zelt, in dem sie auf ihre jeweiligen Besonderheiten und Vorzüge aufmerksam machten: Berlin warb für sich vor allem als Stadt der Wissenschaft, Mecklenburg-Vorpommern rückte seine zum Weltkulturerbe zählenden Städte Wismar und Stralsund in den Blickpunkt, Schleswig-Holstein zeigte sich als Land der Küsten und des Meeres, dessen Früchte – Muscheln und Austern – es zu genießen gab. Brandenburg warb mit Likör und Schnaps von Birnen aus dem havelländischen Ribbeck, die Fontanes Gedicht ihre Berühmtheit verdanken. Sachsen präsentierte sich neben seinem Festzelt mit einem Ausstellungsbus als Kernland der friedlichen Revolution von 1989.

Schon am Vormittag herrschte reger Andrang. Bei strahlendem Sonnenschein und spätsommerlichen Temperaturen strömten bis zum Abend immer weitere Menschen auf die Ländermeile. Die Stimmung war gelöst und entspannt, die Deutschen feierten ihren Nationalfeiertag mit verhaltener Leidenschaft. Am Ende der Ländermeile war eine große Bühne aufgebaut, auf der am Nachmittag der Geiger David Garrett auftrat. Eine Haydn-Symphonie nahm er zum Anlaß, auf diesen als Komponisten der deutschen Nationalhymne hinzuweisen, und begann – nach der Frage, ob denn deren Text bekannt sei – , sie auf seiner Stradivari zu spielen. Die vereinzelten Stimmen der Sänger verloren sich in der unübersehbaren Menschenmenge.

Beim offiziellen Festakt zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit hatte unterdessen Bundespräsident Christian Wulff seine mit Spannung erwartete Rede gehalten, in der er an den Moment der Wiedervereinigung Deutschlands in der Nacht zum 3. Oktober 1990 und an die Entwicklung, die dahin geführt hatte, erinnerte. Wulff dankte den Bürgerrechtlern in der DDR für ihren Widerstand gegen die Diktatur und den Demonstranten in Leipzig und anderen Städten für ihren Freiheitswillen. Zugleich rief er die Rolle der polnischen Freiheitsbewegung ins Gedächtnis.

Den Hauptteil seiner Rede widmete Wulff dem Thema Integration (siehe unten). Er pries den Wert der Vielfalt und bezeichnete den Islam als einen bestandteil der Bundesrepublik. Deutschland müsse Verschiedenheit aushalten, es müsse sie sogar wollen. Die Zukunft gehöre den Nationen, die offen seien für kulturelle Vielfalt, neue Ideen und die Auseinandersetzung mit Fremdem. Deutschland müsse mit seinen Verbindungen in alle Welt offen sein gegenüber denjenigen, die von dort zu uns kommen. Es sei angewiesen darauf, die besten Köpfe anzuziehen.

Während der Zentralrat der Muslime in Deutschland, der sich als Sprachrohr der Moslems in der Bundesrepublik versteht, den Bundespräsidenten für seine Worte ausdrücklich lobte, wurde die Kritik an Wulff aus der Union von Tag zu Tag lauter. „Die Rede war mißverständlich. Wenn der Bundespräsident den Islam in Deutschland mit dem Christentum und dem Judentum gleichsetzen wollte, hielte ich das für falsch“, sagte der CSU-Bundestagabgeordnete Norbert Geis der Bild-Zeitung. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), gab gegenüber dem Blatt zu bedenken, daß der Islam zwar inzwischen Teil der Lebenswirklichkeit in Deutschland sei, „aber zu uns gehört die christlich-jüdische Tradition“.

Widerspruch kam auch aus den Kirchen. Der katholische Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke sagte der Bild-Zeitung, es sei zwar gut, wenn der Bundespräsident den Moslems die Hand reiche, „Deutschland ist aber immer noch von der christlichen Kultur und Tradition geprägt, und ich kämpfe dafür, daß wir diese nicht preisgeben“. Die Muslime müßten die gewachsene Mehrheitskultur in Deutschland jedoch respektieren.

Foto: Linksextremisten demonstrieren am Sonnabend in Bremen gegen die Wiedervereinigung:  Die Einheitsfeierlichkeiten blieben unbehelligt

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen