© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Der Kampf ums rote Wien
Wiener Gemeinderatswahl: Die absolute Mehrheit der SPÖ auf der Kippe / Strache zeigt Zuversicht
Curd-Torsten Weick

Was für die einen „Der Kampf um Wien“, ist für die anderen der „Kampf ums rote Wien“. Österreichs Hauptstadt ist die letzte Bastion der österreichischen Sozialdemokraten (SPÖ). Seit Ende des Zweiten Weltkrieges stellt die SPÖ den Bürgermeister, und das soll nach dem Willen der Genossen um Bürgermeister Michael Häupl auch so bleiben.

Am Sonntag wählen 1,2 Millionen Wiener einen neuen Gemeinderat (Landtag) und alle Parteien haben nur ein Ziel: Die absolute Mehrheit der SPÖ soll geknackt werden. Doch während die Grünen und die konservativ-liberale Volkspartei (ÖVP) in ihren Angriffen auf Häupl & Co. „gehemmt“ (Profil) wirken, reitet einer seit Monaten sprichwörtlich eine Attacke nach der anderen: „15 Jahre Häupl sind genug – Massenarbeitslosigkeit, Kriminalitätsexplosion, Rekordzuwanderung, Schulmisere, Integrationschaos“.

Heinz-Christian Strache und seine Freiheitlichen (FPÖ) machen die Landtagswahl zu einem Duell um Wien und ziehen alle Register.

Als „Anwalt der sozial Schwachen“ kämpft der FPÖ-Spitzenkandidat und Bundesparteichef gegen die „SPÖ-Bonzen“ („Wo rot regiert wird abkassiert“) in den Verwaltungen und fordert einen Mindestlohn von 1.100 Euro netto, die Gebührenreduzierung bei Strom und Gas, gratis Kinderbetreuungsplätze sowie die Ausweisung von Gastarbeitslosen. Unter dem Motto „Freiheit statt Islamismus“ streitet er ebenso gegen falsche Toleranz und für Bauverbote für Minarette und Islamzentren, Kopftuchverbote in öffentlichen Räumen, die Streichung von Familienleistungen bei Deutsch-Verweigerung und die sofortige Ausweisung bei nicht vorhandener Integrationsbereitschaft

„Mehr Mut für unser „Wiener Blut“ – Zuviel Fremdes tut niemandem gut“ hieß dann auch ein Wahlspruch, der für viel Unmut sorgte, aber auch viel Aufsehen erregte. Denn der Kampf um Wien ist in erster Linie ein Kampf um die Gunst der Bewohner der kommunalen Wiener Gemeindebauten. Sie und ihre 400.000 Wählerstimmen wurden zur Hauptkampfzone erklärt. Einst eine Hochburg der SPÖ, gelingt es den Freiheitlichen an den sozialen Brennpunkten der Großsiedlungen, mehr und mehr Fuß zu fassen. Hier kulminieren die Probleme des multikulturellen Wien (500.000 Wiener haben einen Migrationshintergrund) und die FPÖ findet reichlich Zuspruch. Bereits bei der letzten Nationalratswahl reichte sie in manchen Bezirken nah an die 30-Prozent-Marke heran.

Die 30-Prozent-Marke jedoch scheint für Strache und seine Heimatpartei auch bei der Wahl am Sonntag beinah unerreichbar. Umfragen zufolge können die Freiheitlichen zwar um mehr als fünf Prozent zulegen, hätten also ÖVP (17 Prozent) und Grüne (12) überflügelt. Die FPÖ käme mit 21 Prozent aber nicht an die SPÖ (46 Prozent) heran.

Nichtsdestotrotz sieht sich HC Strache vor der Wahl auf Augenhöhe mit Häupl, läßt all die Kritik (Förderung von Ausländerfeindlichkeit, Neid und Mißgunst; Protektion deutschnationaler Burschenschafter) an sich abprallen und „rapt“ wie auch schon bei seinen Wahlkämpfen zuvor den „HC goes ‘Wiener Blut’“. Die Frage ist nur, ob der 41jährige sein Wahlziel, die 20-Prozent-Marke zu überspringen, erreicht oder ob er gar an die 28-Prozent-Marke, die Jörg Haiders FPÖ bei der Wien-Wahl im Jahr 1996 erzielte, heranreicht.

Foto: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ): Nicht nur während der ORF-Elefantenrunde auf Augenhöhe

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