© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Nach der Apokalypse
Bestsellerverfilmung: Das Endzeitdrama „The Road“
Claus-M. Wolfschlag

The Road“ ist ein Endzeitfilm, der unter die Haut geht. Meilenweit entfernt vom üblichen Hollywood-Action-Klamauk, der gegenwärtig auch das Science-fiction-Genre stark beeinflußt, stellt er unbarmherzig die Frage nach der Essenz menschlicher Existenz.

Die Handlung wirft den Betrachter in eine Welt nach der Apokalypse. Es bleibt letztlich offen, ob diese durch eine Naturkatastrophe, einen Atomkrieg, den Klimawandel oder einen Meteoriteneinschlag ausgelöst worden ist. Nur daß die Menschen vorab gewarnt worden wären, ist zu erfahren. Nichts als von Asche überdecktes Ödland scheint seither von der Erde übergeblieben. Abgestorbene Bäume stürzen gelegentlich zu Boden, selbst das Meer rauscht grau.

Nicht allein die staatliche Ordnung oder die Energieversorgung ist zusammengebrochen. Nicht nur ein zivilisatorischer Rückschritt hat stattgefunden. Es ist schlicht keine Nahrung mehr für die wenigen noch überlebenden Menschen vorhanden. Insofern ist „The Road“ wirklich ein Endzeitfilm im wahrsten Sinne des Wortes. Die Menschheit ist zum Sterben verurteilt, und alle Hoffnung suggerierenden Versatzstücke, die man aus sonstigen Roadmovies jener Kategorie kennt, laufen ins Leere, denn sie offenbaren nur stets aufs neue die Unausweichlichkeit der Situation.

Insofern liegt der gezeigten Wanderschaft eines Vaters mit seinem Sohn die schale Ahnung von Sinnlosigkeit zugrunde. Die Mutter (Charlize Theron) hatte dies früh verstanden. Sie hatte, im Eigenheim verschanzt, kurz nach der Katastrophe den Sohn geboren, ihn jahrelang aufgezogen. Schließlich hatte sie die Lage nicht mehr ausgehalten und war in einem unwirtlichen Winter in den Freitod gegangen, den Vater und ihren Sprößling zurücklassend. Das Kind als Symbol des Weiterlebens ist eine Seltenheit in jener Welt; doch auch ihm werden nur wenige Überlebenschancen zugebilligt. Das Meer als Ziel und Symbol der Hoffnung, taugt nicht zu mehr als einem Zwischenhalt – oder zum Sterben.

So sieht man einen zerlumpten Vater (Viggo Mortensen) und seinen Sohn (Kodi Smit-McPhee) die alte Landstraße entlangziehen, einen Einkaufswagen mit letztem Hab und Gut vor sich herschiebend. Sie wandern an Ruinen entlang, immer in Richtung Süden, ohne zu wissen, was sie dort erwartet. Sie finden einige noch nicht geplünderte Konserven, die ihnen den Hunger überbrücken helfen. Sie begegnen selten Menschen, meist unangenehme Charaktere, entweder sich ebenso zerlumpt und ziellos herumschleppend oder in marodierenden Banden organisiert und als Kannibalen unbarmherzig nach menschlichem Fleisch als Nahrungsquelle suchend. Jede Begegnung mit der menschlichen Spezies zwingt den Jungen zur Versicherung der eigenen Identität: Wo stehen wir? Sind wir wirklich noch „die Guten“?

Der im September vorigen Jahres im Wettbewerb der 66. Filmfestspiele von Venedig uraufgeführte Film des australischen Regisseurs John Hillcoat (Drehbuch: Joe Penhall) hält sich ziemlich exakt an die literarische Vorlage, den 2006 erschienenen gleichnamigen Roman des US-Schriftstellers Cormac McCarthys, der mit dem renommierten Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Nur in der ersten und der letzten Sequenz des Films gibt es kleine vermeintliche Zugeständnisse an das Publikum, die sich geringfügig von McCarthys Romanvorlage entfernen. Wird am Anfang der Zuschauer nicht gänzlich unvorbereitet in das Geschehen geworfen, sondern ihm zumindest ein Ansatz einer erzählerischen Erklärung geboten, so gerät die Schlußsequenz schon allein durch die musikalische Untermalung – der Soundtrack des Films stammt von Nick Cave und Warren Ellis – ein wenig zu süßlich, zu versöhnlich. Doch das sind wirklich nur Nuancen, die den durchweg gelungenen Film in seiner Wirkung kaum zu schmälern vermögen.

„The Road“ startet bundesweit am 7. Oktober in den Kinos. Freigegeben ab 16 Jahren, Spieldauer etwa 112 Minuten. www.theroad.senator.de

Foto: Vater (Viggo Mortensen) und Sohn (Kodi Smit-McPhee): Hab und Gut in einem klapprigen Einkaufswagen

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