© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Blick in die Medien
Provokateure gegen Sarrazin
Ronald Gläser

Mit Thilo Sarrazin war der politisch-mediale Komplex von Anfang an überfordert. Obwohl es einen Hetzbeitrag nach dem anderen hagelte, erntete der Bundesbanker große Zustimmung für seine Thesen. Selbst bei seinen TV-Auftritten konnte sich der kamerauntaugliche Sarrazin behaupten – auch gegen voreingenommene Moderatoren und geifernde erwachsene Kopftuchmädchen.

„Selbst bei seinen TV-Auftritten konnte sich der kamerauntaugliche Sarrazin behaupten“

In München haben sich die etablierten Medien etwas Neues ausgedacht, beziehungsweise vom ORF abgekupfert, der eine ähnliche Nummer kürzlich mit der FPÖ versucht hat: Der Bayerische Rundfunk entsandte zu einer Sarrazin–Buchlesung vor einer Woche in Ermangelung echter „Nazis“ zwei Mitglieder einer fiktiven Sarrazin-Partei namens „Natio“. Die BR-Leute hielten Plakate ihrer virtuellen Partei hoch und riefen „Berlin braucht Sarrazin“, berichtet die Müncher tz, die als einzige Zeitung darüber berichtet hat. Der Süddeutschen Zeitung, die selbst einen Reporter entsandt hatte, war der Vorgang keine Silbe wert. Die SZ beschränkte sich darauf, die Anhänger des „Brandstifters“ Sarrazin zu rügen, weil diese sich „schrecklich danebenbenommen“ hätten.

Daneben benommen haben sich jedoch nur die Pseudo-Nazis, die sogar mit der Polizei in Konflikt geraten sind. Die Mini-Demo der „Sarrazin-Anhänger“ war nicht angemeldet. Der Schwindel flog auf, als sich einer der BR-Mitarbeiter gegenüber der Polizei als agent provocateur zu erkennen gab, um nicht rausgeschmissen zu werden.

Der Bayerische Rundfunk redete sich so raus: Im Eifer des Gefechts habe man vergessen, diese Demo anzumelden. Gefecht? In welchem Gefecht befindet sich der Bayerische Rundfunk eigentlich gerade? In einem Krieg gegen Thilo Sarrazin, gegen sein Buch oder gegen mögliche politische Mitbewerber der CSU? Wahrscheinlich gegen alle gleichzeitig.

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