© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Anti-Patriotismus
Der deutsche Selbsthaß
von Rolf Stolz

Die deutschen Selbsthasser leiden unter einer neurotischen Problematik. Zu beobachten ist eine zumindest zeitweilige, womöglich aber auch andauernde Entgleisung der gesunden Erfahrungsverarbeitung und Handlungsmotivation. Diese Betriebsstörung des seelischen Apparates – der persönlichen und der kollektiven Integrität – ist psychosozial bedingt.

Obwohl das Verhalten der Betroffenen beeinträchtigt ist, bewegt es sich im Normalfall innerhalb sozial akzeptierter Grenzen. Nur im Ausnahmefall bleibt die Persönlichkeit nicht erhalten. Dann geraten Amokläufer in den Grenzbereich zu psychotischen Formen der Persönlichkeitsveränderung. Diese Seltenheit der Extremformen ist allerdings kein Anlaß zu voreiliger Selbstberuhigung: Die meisten Selbsthasser sind zwar im wahrsten Wortsinne in ihrem Denken und Empfinden „ver-rückt“ und „ver-dreht“, aber eben nicht komplett „durchge-dreht“. Gerade weil sie außerhalb ihres Spleens relativ durchschnittlich funktionieren, sind sie politisch weitaus gefährlicher als vollkommen abgehobene und durchgeknallte Sektierer.

Die Selbsthasser stellen eine Minderheit von einigen tausend Aktivisten. Sie sind in ihrer hundsgemeinen Gewöhnlichkeit geschwisterlich verbunden mit einem Gutmenschen-Milieu. Gutmenschen teilen zwar nicht deren extreme antideutsche Militanz, verbünden sich aber immer wieder mit ihnen – auf den Straßen zur Einschränkung der Meinungsfreiheit durch illegale Boykottmaßnahmen, im politischen Leben und im Rechtssystem durch massive Förderung von deutschlandfeindlichen Kampagnen und durch Repressionen gegen alle, die ihr Land lieben und verteidigen wollen.

Zum schrägen Weltbild der Antideutschen gehört es, wenn sie in Fortsetzung der alliierten „Reeducation“ die Machtpolitik der USA glorifizieren: Die linksextreme Jungle World sieht in den USA die einzig verbliebene Macht, die in der Lage sei, „Deutschland die Stirn zu bieten“. Für die Antideutschen sind die Kriege der USA in Afghanistan und dem Irak „tätiger Antifaschismus“, und George W. Bush war für sie „The Man of Peace“ (der Mann des Friedens). Die Grenzen zwischen Böse und Gut verschwimmen.

Insofern kann man die radikalen Selbsthasser in ihrer Gefährlichkeit vergleichen mit jenen islamistischen Radikalen, die es den orthodoxen und fundamentalistischen Verbänden ermöglichen, sich einerseits als die Gemäßigten, Vernünftigen und Dialogbereiten darzustellen und gleichzeitig die Einheitsfront mit den Ultras zu pflegen.

Es gehört zu den giftigen Früchten der Geschichte  Deutschlands seit dem Mittelalter, daß es als stammesmäßig, konfessionell und territorial zerrissenes Land nie frei von innerem Haß war.  Dieser Haß äußerte sich je nach Blickwinkel einmal gegen die „Roten“, dann gegen die „Schwarzen“, gegen die „Junker“ und schließlich gegen die Juden. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg kulminierte er in offenem und latentem Bürgerkrieg. Seit 1933 war der Haß staatlich institutionalisiert.

Die gemeinsame Bewältigung des Nachkriegselends versöhnte die Deutschen. Erst im Kalten Krieg und durch die Generationskonflikte seit Ende der 1950er Jahre brachen neue Gegensätze auf, die auch nach der großen Chance des wunderbaren Jahres 1989 nicht wirklich geheilt worden sind.

Deutscher Selbsthaß ist die Pervertierung patriotischer Gefühle. Er resultiert aus einer Betriebsstörung des seelischen Apparates: Selbst- und Feindbild der Antideutschen sind Fremdprojektionen. Dahinter stecken Verdrängung und Kollektivschuldthesen. 

Weder das gleichgültige „Ist mir doch egal, was mit meinen Eltern und Großeltern war“ noch die dämlich-infame Formel vom „Volk der Täter“ entzieht sich dem Fluch der Verdrängung. „Wegducken“ oder das „Kochen“ eines kollektiven „Schuldbreis“ – beides verspricht nur zeitlich begrenzten Erfolg und läßt das Verdrängte um so mächtiger und unüberwindlicher wiederkehren.

Die Autonomen und Auslandsvergötterer sind getrieben von Verachtung des eigenen Vaterlandes, ehrloser Anbetung alles Fremden und blinder Wut auf alle eigenständig und anders denkenden Landsleute. Ihr Feindbild – der „Neonazi“ – stammt weniger aus der Realität und mehr aus den Meinungsfabriken der Linksmedien. Sein Bedrohungspotential wird durch staatlich bestellte und finanzierte Extremismusexperten zu einem gigantischen Papiertiger aufgeblasen. Dieses simple Feindbild vom „Faschisten“ bildet den sozialen Kitt zwischen den Selbsthassern und soll das hemmungslose Ausleben von Haßgefühlen rechtfertigen. Genau auf diesem Marsch in die Sackgasse folgen die Vaterlandsvernichter nicht allein ihren bewußten Vorbildern – von den ultralinken Sektierern in der KPD der zwanziger Jahre bis zu den Stalin-Verehrern der frühen 1950er Jahre, von den Anarchisten bis zur „RAF“ –, sondern sie bewegen sich mit traumwandlerischer Sicherheit in den Fußstapfen der Judenhasser, der Herrenmenschen, der braun oder schwarz uniformierten „Schlagetots“.

Beim antideutschen Selbsthaß bedeutet dies eine Selbstspiegelung in fremden Mächten und Vorbildern. Verwöhnte, überversorgte Mittelschichtjüngchen identifizieren sich dabei absurderweise mit den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges. Ihre Parole „Bomber Harris, do it again“  („Bomber-Harris, mach’ es wieder“) – diese mörderische Begeisterung für den vor einigen Jahren in London mit einem Bronzedenkmal geehrten Hauptorganisator des Terrors gegen die deutsche Zivilbevölkerung offenbart eine beinahe sadomasochistische Neigung zur Selbstdestruktion, wenn sie sich am Gedanken des Dresdner Feuersturms und der Vernichtung von Frauen, Kindern und Greisen berauschen.

Bei individuellen Neurosen werden ungelöste oder unvollständig gelöste und meist bis in die Kindheit zurückreichende Konfliktkonstellationen zum Problem, vor allem im Zusammenhang mit der Nicht-Erfüllung von Triebwünschen und dem Nicht-Verstehen bzw. Nicht-Verstehen-Wollen der eigenen Lebensgeschichte. Die seelischen Mechanismen verselbständigen sich in Auslösesituationen infolge einer Erhöhung der seelischen Spannung, entziehen sich dem Bewußtsein und ermöglichen die Entstehung von  seelischen, psychosozialen oder körperlichen Symptomen.

Die neurotischen Krankheitszeichen offenbaren zugleich, daß die Verdrängung nicht vollständig geglückt ist. Auch für kollektive Neurosen gilt die Geschichtlichkeit, auch sie verarbeiten individuelle und kollektive Traumata in einer mißlungenen und halbherzigen Form, auch bei ihnen bleiben die eigentlichen Antriebe und prägenden Strukturen  unbewußt. Dabei wird ein sich selbst erhaltender und verstärkender Kreislauf in Gang gesetzt:

Die  auffallenden, die Mitmenschen beunruhigenden Verhaltensweisen der Symptomträger – ganz gleich ob es um einzelne oder um größere gesellschaftliche Gruppen geht – drücken einen Hilferuf an die Umwelt aus. Deren unvermeidliche Abwehrreaktion erzeugt ihrerseits neue neurotische Reaktionen und verfestigt die zugrundeliegende Problematik. Die Antideutschen stoßen in der Masse der Bevölkerung auf Unverständnis und Ablehnung. Genau dies bestätigt die politischen Geisterfahrer in ihrer Überzeugung, die Mehrheit auf Irrfahrt zu sehen und den eigenen selbstmörderischen Kurs um so verbissener verfolgen zu müssen. Natürlich konstituiert dies ein Dilemma für jeden politischen Therapieversuch: Den Irrenden und den Irren recht zu geben, hilft nicht weiter – ihnen zu widersprechen und ihnen Widerstand entgegenzusetzen, ist zwar unerläßlich, aber man darf sich davon keine schnellen Überzeugungs- oder Veränderungserfolge erwarten.   

Selbsthasser sind politische Geisterfahrer. Was sie für andere Nationen einfordern, wollen sie dem eigenen Vaterland nicht gönnen. Ihre Militanz bemäntelt ein linkes Gutmenschenmilieu, das glaubt, im Kampf für die Menschenrechte sei jedes Mittel recht.

Die seelisch-emotionale Symptomatik des Selbsthasses ist geprägt von allgemeiner Ängstlichkeit und Unsicherheit, von Zwangsgedanken, von dem Wechsel zwischen Niedergeschlagenheit und Größenwahn, von gestörtem Selbstwertgefühl und von Schuldgefühlen. Zum Auslöser einer solchen politischen Neurose können bestimmte Belastungssituationen werden, zum Beispiel äußere Ereignisse und wichtige Veränderungen der Lebenssituation. Stets bestimmen im Zusammenspiel das Ausmaß der Vorschädigung, die Persönlichkeitsstruktur und die Lebensgeschichte, ob eine Krisenperiode überwunden wird oder sich eine Neurose entwickelt.

In diesem Widerstreit divergierender Tendenzen spielen mehrere Faktoren eine Rolle: die spezifischen Lebenserfahrungen, Abwehrmöglichkeiten und Kompensationsmechanismen, aber auch soziale Umstände wie das Vorhandensein von Unterstützungssystemen. So wird erklärlich, warum in unserer Gesellschaft nur eine – allerdings durchaus einflußreiche – Minderheit in Selbsthaß verfällt und warum einzelne Personen unterschiedlich lange und intensiv diesem Wahn anhängen.

Immer ist auch eine innere Wende und eine Umkehr aus der Sackgasse möglich – der Publizist Jürgen Elsässer, vor Jahren noch einer der Stichwortgeber der „Antideutschen“, inzwischen selbst zum Opfer antideutscher Hetze und Verfolgung geworden, ist dafür ein prominentes Beispiel.

Schon vor etlichen Jahren hat der antideutsche Publizist Joachim Bruhn erkannt, wie irrwitzig der Widerspruch zwischen der Parole „Nie wieder Deutschland!“ und dem von der historischen Linken vehement vertretenen Selbstbestimmungsrecht der Völker ist: „Denn was waren die Ereignisse des Oktober 1989 anderes als ein leibhaftiger Volksaufstand, eine spontane Erhebung und veritable Revolution für ganz genau das ‘Recht auf nationale Selbstbestimmung’, das Deutschlands Linke jahrzehntelang, wenn auch für die Basken und die Palästinenser, eingeklagt hatte? Und was bewiesen die Leipziger Montagsdemonstrationen anderes als die Existenz jenes geheimnisvollen Zusammenhanges von ‘nationaler und sozialer Befreiung’, den Deutschlands Linke immer nur für Irland und die Westsahara gelten lassen wollte?“

Wenn also selbst die klügeren Antideutschen den unaufhebbaren Grundwiderspruch ihrer Politik erkennen, daß nämlich antinationales Denken stets reaktionär und antidemokratisch ist, so brauchen wir uns keine Sorgen machen. Nicht allein die kritische Analyse erledigt die antideutsche Politik, sondern das reale Leben bietet dieser irrationalen und menschenfeindlichen Haltung keine Chance.

Entscheidend ist daher weniger, eine kleine antideutsche Minderheit und die etwas größere Schar der von halbherzig-lauer Selbstverneinung Angekränkelten umzuerziehen, sondern die große Mehrheit des deutschen Volkes zu gewinnen. Sie verfügt über eine im Ganzen imposante Nationalgeschichte, liebt ihre Kultur, ihre Sprache und ihr Land.

Vollkommen zu Recht sieht der deutsch-israelische Publizist Rafael Seligmann die Freiheit und die Menschenwürde hierzulande durch den Totalitarismus einer gefährlichen Melange von politisch-korrekten Gutmenschen und militanten Selbsthassern bedroht. Seine Warnung sollte als ein Weckruf aller Deutschen gelesen werden: „Unser Bekenntnis zu Deutschland ist erneut gefragt, um die Freiheit zu verteidigen.“

Foto: Bierflasche als  Wurfgeschoß: Die jährlichen Ausschreitungen der linksautonomen Szene zum 1. Mai in Berlin sind ritualisierte Ausbrüche  autoaggressiven Verhaltens

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