© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/10 15. Oktober 2010

Alle warten auf Mutti
Junge Union: Der Nachwuchs von CDU und CSU darf auf seinem Deutschlandtag am Wochenende auf einen Besuch der Bundeskanzlerin hoffen
Hinrich Rohbohm

Jetzt kommt sie also. „Mutti“ hat ihr Erscheinen auf dem Deutschlandtag der Jungen Union (JU) am Wochenende in Potsdam-Babelsberg angekündigt. Das hatte Angela Merkel zwar schon vor einem Jahr getan. Doch dann hatte sie dem JU-Bundesvorsitzenden Philipp Mißfelder kurzfristig einen Korb gegeben.

Aufgrund der Koalitionsverhandlungen mit der FDP müsse sie passen, hatte  die Kanzlerin damals ihre Absage an ihren Nachwuchs begründet. Zahlreiche Jungunionisten ließen danach ihrem Unmut freien Lauf. Schließlich habe man mit der CDU-Chefin intensiv über die Gründe des schlechten Abschneidens bei der Bundestagswahl diskutieren wollen. Nicht wenige hatten das Gefühl, Merkel kneife vor einer Aufarbeitung ihres von Kritikern als zu emotionslos empfundenen Wahlkampfes. Vor allem, weil sie hingegen Termine beim DGB, der Frankfurter Buchmesse und im Berliner Neuen Museum wahrnehmen konnte – trotz Koalitionsverhandlungen. Selbst eine Videobotschaft war ihr die JU nicht wert gewesen. Der Frust fraß sich durch das Internet. „Aufstand gegen Mutti“ lautete der Name einer Gruppe im sozialen Online-Netzwerk „Facebook“, die empörte JUler ins Leben gerufen hatten. Als die Gruppe innerhalb weniger Tage über 600 Mitglieder aufwies, war sie plötzlich nicht mehr aufzurufen. „Wegen Wartungsarbeiten“, hatte es damals von Facebook geheißen. JU-intern machten Gerüchte die Runde, wonach Mitarbeiter des Adenauer-Hauses Druck auf die Gruppenbetreiber ausgeübt haben sollen. Nun könnte es also – mit einjähriger Verspätung – zur geforderten Aussprache kommen, zumal auch CSU-Chef Horst Seehofer erwartet wird. Doch wenn die rund tausend JU-Delegierten und Gäste im Babelsberger Filmpark zusammenkommen, wird die Aufarbeitung des zweitschlechtesten Bundestagswahlergebnisses in der Geschichte der Union wohl keine Rolle mehr spielen.

 „Zukunft: Familie“ heißt das Thema, mit dem sich der Polit-Nachwuchs dann auseinandersetzen will. Um sich am Sonntag kurz vor Ende der Tagung dann noch schnell mit der Frage zu beschäftigen, was denn konservativ sei. Ein Zeitpunkt, zu dem viele Delegierte längst die Heimreise antreten werden. Das Abflauen der Kritik an der Kanzlerin hat seinen Grund. Schließlich hatte „Mutti“ JU-Chef Mißfelder unmittelbar nach dem Münsteraner Deutschlandtag den Posten des außenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion verschafft. Seitdem scheint es, als habe man in der JU-Führung Kreide gefressen.

Gedankenspiele über Mißfelders Nachfolger

In den Delegiertenvorbesprechungen der Verbände wird in solchen Situationen zumeist folgende Parole ausgegeben: „Wir müssen jetzt Geschlossenheit zeigen, Kritik nützt nur dem politischen Gegner, die Koalition steht unter Druck, wir dürfen sie und die Kanzlerin nicht weiter beschädigen ...“ Aber nicht immer funktioniert die Basis so, wie es Funktionäre planen. Es dürfte interessant sein, ob sich Merkels Kritiker, von denen es in der JU zahlreiche gibt, an die Kette legen lassen. Besonders beim größten JU-Landesverband Nordrhein-Westfalen ist der Schock der verlorenen Landtagswahl längst nicht verdaut. Dem zweitgrößten Landesverband aus Bayern ist die schwächelnde CDU eh ein Dorn im Auge. Und im drittgrößten Verband Baden-Württemberg liegen die Nerven angesichts einer möglichen Wahlschlappe ohnehin blank.

Merkeltreue innerhalb der Jungen Union spielen zudem mit dem Gedanken, einen neuen, kanzlerinkonformeren Bundesvorsitzenden auf den Schild zu heben. Dieser Plan dürfte jedoch nur bei einem Verzicht Mißfelders zum Tragen kommen. Denn der Recklinghausener sitzt bei der JU immer noch fest im Sattel. Bei der Wahl vor zwei Jahren wurde er mit 89,1 Prozent im Amt bestätigt.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen