© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/10 15. Oktober 2010

Unterm Kopftuch
Kein Schweinefleisch in der Kantine: Der Islam verändert die europäische Lebenswelt
Lion Edler

Der Islam gehöre inzwischen auch zu Deutschland, erklärte kürzlich Bundespräsident Christian Wulff. Bei seiner Rede zum 20. Jahrestag der Wiedervereinigung zitierte er zu diesem Anlaß Goethe: „Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“ Mag sein, doch manche Bürger fragen sich, ob man sich in Deutschland nicht lieber nach den Regeln des Okzidents richten sollte. Der Trend scheint jedoch in eine andere Richtung zu zeigen.

Es sind Kleinigkeiten, die nach Ansicht mancher Deutscher das Grundsätzliche aufzeigen, etwa wenn in einem Regensburger Hallenbad ein sogenanntes „Frauenschwimmen“ angeboten wird, bei dem nur Frauen Zutritt haben. Das Motiv dieser Maßnahme ist offensichtlich: Sie soll ermöglichen, daß unverschleierte Frauen nicht von Männern gesehen werden.

Eine Extrawurst für Muslime gibt es auch in Frankreich. Ein Pariser Friseur-salon bietet etwa ein Separée für verschleierte Frauen an, um sie gleichfalls vor unerwünschten Männerblicken zu schützen. Das ging selbst einem Migrantenverband zu weit. Man diskriminiere sich mit solchen Maßnahmen nur selber, war während der hitzigen Debatte um die merkwürdige Regelung zu hören. Es sind solche Kuriositäten, die bei vielen Bürgern das Gefühl erzeugen, daß die Einheimischen sich an die zugewanderten Moslems anpassen sollen, und nicht umgekehrt.

Ohne Frage: Der Islam gehört inzwischen zu Deutschland, aber gehören die nicht-islamischen Deutschen auch noch dazu? In der Hamburger Haupt- und Realschule Griesstraße jedenfalls hat man der These von Christian Wulff schon vor dessen Rede zum Tag der deutschen Einheit besonders enthusiastisch Rechnung getragen. „Wir haben viele moslemische Schüler in der Schule, deswegen wird in der Kantine kein Schweinefleisch verwendet“, heißt es wie selbstverständlich auf ihrer Internetseite. In der Tat haben 222 der 366 Schüler der Schule einen „Migrationshintergrund“, wie die Schule immerhin offen informiert, die größte Gruppe davon sind 50 Schüler mit einem türkischen „Hintergrund“. In einem Schul-Leitbild heißt es in Punkt zwei: „Die Integration aller Nationen ist uns wichtig.“ Daran wird sicherlich kaum jemand zweifeln, nur mit der Richtung der Integration scheint es noch ein wenig zu hapern.

Armin Laschet: Islamischer Feiertag ist Klamauk

So auch in Nordrhein-Westfalen. Das Bildungsministerium forderte dort im letzten Jahr in einer schriftlichen Stellungnahme die Schulen dazu auf, Prüfungstermine keinesfalls auf einen islamischen Feiertag zu legen. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, forderte gar einen schulfreien Tag an einem islamischen Feiertag, erntete hierfür dann aber doch überwiegend Kritik. „Das ist Klamauk à la Kolat“, sagte selbst der sonst sehr multikultifreundliche damalige „Integrationsminister“ Armin Laschet (CDU). Der Vorschlag zeuge von einer „mangelnden Ernsthaftigkeit“ Kolats.

Ernst gemeint und bereits durchgesetzt ist hingegen eine Integrationsmaßnahme von RTL 2. Der Fernsehsender informiert seit August über Beginn und Ende der täglichen Fastenzeit während des Ramadan. „Man kann viel über Integration theoretisieren, doch wir wollen ein klares Signal senden“, brüstete sich Carsten Molings von der Marketingabteilung des Senders. Auch der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Ayman Mazyek, war entzückt. RTL 2 zeige mit der Initiative „gesellschaftliche Verantwortung“, ließ er verlauten. Pflichterfüllung.“

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