© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/10 22. Oktober 2010

Meister der Zermürbung
Italien: Gianfranco Finis Seiltanz zwischen Loyalität und Opposition / Gründung einer neuen Bewegung
Paola Bernardi

Italiens Parlamentspräsident Gianfranco Fini reagierte schnell: Während Ministerpräsident Silvio Berlusconi sich einer ambulanten Operation an der Hand unterziehen mußte, lud er eine Handvoll auserwählter ausländischer Journalisten zu einem Essen ins Parlament ein. Smart lächelnd, im feinen Maßanzug, trat der 58jährige Politiker auf, um nun vor internationaler Presse die Absichten seiner abtrünnigen Fraktion darzustellen.

Finis Angst vor vorgezogenen Neuwahlen

Eine weitere Eskalation in dem seit Monaten schwelenden Konflikt mit Ministerpräsident Berlusconi, der das politische Leben in Italien lahmlegt. Nach dem endgültigen Rauswurf von Fini aus der Regierungspartei PDL kam es zwar immer wieder zum vorläufigen Burgfrieden. Doch dieser währte nie lange. Der Postfaschist, der sich zum Antifaschisten (JF 14/09) gemausert hat, klebt an seinem Posten als Parlamentspräsident, den er als Sprungbrett für seine neue politische Bewegung „Zukunft und Freiheit“ (FLI) benutzt; er denkt gar nicht an Rücktritt.

Fini trägt sich mit dem Plan, Berlusconi zu beerben und verfolgt diese Strategie mit einer ausgeklügelten Zermürbungstaktik. Denn einen endgültigen Bruch mit der jetzigen Regierung wagt die neue Fini-Gruppierung nicht. Sie scheut die Gefahr bei sofortigen Neuwahlen, an der Vier-Prozent-Hürde zu scheitern und in die Bedeutungslosigkeit herabzusinken. Auch Berlusconi ist derzeit nicht an Neuwahlen interessiert, er möchte sich nicht den Vorwurf einhandeln, die Stabilität des Landes leichtfertig aufs Spiel gesetzt zu haben.

 Fini stellte jetzt die Weichen zur Bildung der FLI. Ihm schwebt die Bildung einer neuen liberal-konservativen Partei vor, ähnlich der CDU in Deutschland. Noch weiß niemand, wie dieses neue politische Abenteuer von Fini ausgehen wird: Einerseits will er loyal zur Regierung der rechten Mitte und dem von den Wählern erhaltenen Mandat sein, andererseits betreibt er Opposition.

 Zur Partei „Zukunft und Freiheit“ (FLI), die im November der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll, ließ er bisher nur soviel verlauten, daß im Frühjahr 2011 die Gründung abgeschlossen sein soll. Die FLI werde sich im rechten Zentrum der PDL einordnen, aber autonom und vor allem als Gegenspieler der als populistisch gebrandmarkten Politik von Umberto Bossi (Lega Nord) auftreten, der sich inzwischen zu Berlusconis wichtigstem Verbündeten entwickelt hat. So wolle man den bisherigen „Bipolarismus“ sprengen“. Italien verharre noch immer in den alten Denkschemen zwischen rechts und links, Nord und Süd.

Die Rufe nach Rücktritt werden lauter

Fini wechselt nicht nur Parteien, sondern, ähnlich wie Berlusconi, auch seine Frauen. Nach seiner Scheidung von seiner ultrarechten Ehefrau Daniela, lebt er nun in wilder Ehe mit Elisabetta Tulliani, die aus der radikalen linken Szene stammt. Der neue Clan bringt neue Unruhe mit sich: So steht Fini im Verdacht, seiner neuen Familie eine Wohnung in Monte Carlo zu günstigsten Bedingungen verschafft zu haben. Pikant ist, daß es sich dabei um das Erbe einer faschistischen Gräfin handelt, die ihr Vermögen „für einen gerechten Kampf“ der Alleanza Nazionale vermachte.

Finis neue „Schwiegermutter“ berief sich bei der staatlichen Fernseh-und Rundfunkanstalt Rai stets auf seinen Namen und bekam so Millionen-Aufträge als Film-Produzentin. Die rechten Zeitungen Il Giornale und Libero berichten seit Wochen über diese Skandale. Seitenlang fordern Leser mit vollem Namen den Rücktritt Finis als Parlamentspräsident. Doch er rührt sich nicht.

Foto: Gianfranco Fini: Medienauflauf bei der Ausrufung der neuen Partei

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