© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/10 29. Oktober 2010

Die moderne Großstadt-CDU hat schon gewonnen
Landesvorsitz: Die CDU-Mitglieder in Nordrhein-Westfalen können zwischen Armin Laschet und Norbert Röttgen entscheiden – eine wirkliche Wahl haben sie nicht
Ansgar Lange

Der nordrhein-westfälischen CDU sind ihre Mitglieder viel wert. Rund 900.000 Euro läßt sich die Union die laufende Mitgliederbefragung zum neuen Landeschef kosten. Bis zum Sonntag haben die CDU-Mitglieder an Rhein und Ruhr Zeit, sich zwischen Armin Laschet und Norbert Röttgen als Nachfolger von Ex-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers als Parteivorsitzendem zu entscheiden.

Daß eine sich christlich nennende Partei ihre Mitglieder am Reformationstag an die Wahlurnen ruft, hat nicht jedem evangelischen Parteimitglied gepaßt. Doch wer sein Kreuzchen nicht am Sonntag in den Wahllokalen der 54 Kreisgeschäftsstellen für einen der beiden Kandidaten machen will, die inhaltlich für den Kurs der liberalen „Großstadt-CDU“ und schwarz-grüne Bündnisse stehen, kann dies per Post erledigen.

Auch wenn offiziell die Basis das Wort hat, mischen natürlich auch die Parteifunktionäre kräftig  mit. Und hier zeigt sich, daß sich der smarte Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der wegen seines Grübchens und des graumelierten Charmes nicht nur gut bei den Frauen ankommt, einer Riege von „Parteifreunden“ gegenübersteht, die mehr oder weniger offen gegen ihn Front machen. Im direkten Duell kämpft der 1965 in Meckenheim bei Bonn geborene Jurist Röttgen gegen den 1961 in Aachen geborenen Juristen Laschet, der zuletzt als Integrationsminister in NRW Verantwortung trug. Nach Lesart der Röttgen-Fans steht ihr Idol für den Neuanfang, während Laschet dem „System Rüttgers“ zugeordnet wird. Daß man zuvor kaum ein kritisches Wort Röttgens gegenüber dem bisweilen autistisch wirkenden Rüttgers gehört hat, spielt keine Rolle.

Mit dem 1961 geborenen Juristen Andreas Krautscheid hat Röttgen auch einen ehmaligen Wohngemeinschafts-Genossen zum Gegenspieler. Es ist schon aufschlußreich, daß sich der seit März amtierende Generalsekretär Krautscheid für Laschet positioniert hat. Auch Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sowie der mächtige Merkel-Vertraute Peter Hintze sind dem allzu alerten und ehrgeizigen Röttgen inzwischen in herzlicher Abneigung verbunden.

Bei den zahlreichen Regionalkonferenzen der Landes-CDU hatten viele den Eindruck, daß Laschet besser nach Düsseldorf paßt als Röttgen. Als dieser sich Ende September in Remscheid präsentierte, wußte er zwar viel über Energie- und Umweltpolitik zu berichten. Seine Äußerungen zur Lage in NRW – beispielsweise zu den Kommunalfinanzen – bewegten sich aber bestenfalls an der Oberfläche. Sicher ist Röttgen redegewandt, parkettsicher und ein Generalist. Doch seine Aussage, ihm gehe es nur um das Wohl der Landespartei und nicht um die eigene Karriere, will ihm an der Basis so recht niemand abnehmen. Viele argwöhnen, daß der Parteivorsitz in NRW nur die Rückversicherung dafür sein soll, bei Gelegenheit als Kanzlerkandidat ins Rennen zu gehen.

Rund eine Woche später punktete Laschet bei der Basis in Remscheid, auch wenn zu Röttgen aufgrund dessen bundespolitischer Bekanntheit wesetlich mehr Mitglieder gekommen waren. Laschet leistete sich keine Anti-Rüttgers-Polemik, nahm Sarrazin gegenüber der Kritik von Angela Merkel in Schutz und vermittelte der CDU im Bergischen Land den Eindruck, daß hier jemand antritt, dem es um Düsseldorf und das Land und nicht um eine Karriere in Berlin geht.

Falls Laschet zum Vorsitzenden gewählt würde, gäbe es ein Trio aus dem Fraktionsvorsitzenden Karl-Josef Laumann, dem Generalsekretär Andreas Krautscheid und dem Parteivorsitzenden Armin Laschet. Alle hätten ein Landtagsmandat. Würde Röttgen gewählt, würde er wohl Ex-Verkehrsminister Oliver Wittke zum neuen Generalsekretär wählen lassen. Beide gehören nicht dem Landtag an.

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