© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/10 29. Oktober 2010

Keiner will es gewesen sein
Streiks in Frankreich: Senat stimmt Anhebung des Rentenalters auf 62 Jahre zu / Diskussion um Gewalt junger Einwanderer
Friedrich Torsten Müller

Nach turbulenten Wochen mit Streiks und teils gewalttätigen Demonstrationen hat auch der französische Senat mit der Mehrheit des bürgerlich-rechten Regierungslagers Präsident Sarkozys umstrittene Rentenreform angenommen. Dabei stimmten fünf Wochen nach der Nationalversammlung nun auch 177 Senatoren – bei 153 Gegenstimmen – für die Gesetzesreform, die in den kommenden acht Jahren eine schrittweise Anhebung des frühesten ordentlichen Renteneintrittsalters von derzeit 60 auf 62 Jahre vorsieht.

Damit hat das wichtigste Reformwerk Nicolas Sarkozys für diese Legislaturperiode die entscheidenden parlamentarischen Hürden genommen und dürfte nach Angaben des Präsidentenberaters für soziale Fragen, Raymond Soubie, zum 15. November offiziell verkündet werden.

Der Élysée-Palast versucht sich dabei versöhnlich zu zeigen und erklärt, hier gebe es „weder Besiegte noch Sieger“, vielmehr sei die Reform ein Sieg für Frankreich und die Franzosen.

Ungeachtet dessen kündigten die Gewerkschaften bereits erneute Proteste an. Für diesen Donnerstag und für den 6. November wurde zu landesweiten Demonstrationen aufgerufen. Auch die Schülervertretungen erklärten, weiterhin protestieren zu wollen. Insbesondere am Rande der Schülerdemonstrationen war es in den letzten Wochen immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen.

Schulaktivisten distanzieren sich von Plünderern

Der Vorsitzende der lokalen Sektion der „Nationalen Gymnasiastenunion“ (UNL), Kelvin Mounard, bestritt, daß es sich bei den Randalierern überhaupt um Mitglieder seiner Bewegung gehandelt habe. Der sozialistische Bürgermeister von Lyon, Gérard Collomb, fand sich dann auch in der mißlichen Lage wieder, erklären zu müssen, daß diese Plünderungen nichts mit den Renten-Protesten von Schülern örtlicher Schulen zu tun hätten.

Dies kam dem Eingeständnis gleich, daß zur Eskalation der Proteste wesentlich junge, oft arbeitslose Einwanderer beigetragen hätten, die sich unter die Schüler gemischt hatten. Die Lyoner Polizei bestätigte diese Einschätzung mit der Mitteilung, im wesentlichen polizeibekannte Individuen aus den Einwanderervierteln in Gewahrsam genommen zu haben.

Unter dem Slogan „Faßt meine Stadt nicht an“ demonstrierten dann auch nach den Plünderungen in Lyon mehrere hundert Jura-Studenten, junge Anhänger der Identitären-Bewegung (Bloc Identitaire) und des Front National gegen die Zerstörungen, wobei die Polizei Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten verhindern konnte.

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