© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/10 29. Oktober 2010

Gruß aus Bern
Kampf ums Kreuz
Frank Liebermann

Die Deutschen behaupten von sich sehr oft, sie seien tolerant. Wer ein Weilchen in der Schweiz lebt, merkt da einen Unterschied: Schweizer behaupten das zwar auch von sich, allerdings sind sie es tatsächlich, im Gegensatz zu manchem Deutschen. Obwohl sich auch hier die politischen und gesellschaftlichen Blöcke vor allem im Vorfeld von Volksabstimmungen unversöhnlich gegenüber- stehen, akzeptieren nicht nur die Verlierer die Entscheide. Auch die Gewinner hüten sich, ihren Sieg auf Kosten der unterlegenen Minderheit allzu selbstherrlich zu zelebrieren. Eine solche Haltung ist wahrlich tolerant!

Dem Sieg im Kruzifixstreit ließ der Freidenker den Kampf gegen das Holzkreuz folgen.

Mächtig auf die Nerven geht zur Zeit ein Deutscher den Schweizern im Kanton Luzern. Im Namen der Toleranz setzte David Schlesinger ein Kruzifixverbot in der Schule seiner Kinder durch. Schlesinger ist ein Freidenker. Seine Kinder, so sein Wunsch, sollten nicht im Angesicht eines gepeinigten Menschen lernen müssen. Vor einem Gericht konnte Schlesinger sein Anliegen letztendlich durchsetzen.

Nicht gerechnet hatte er dann aber mit der Spitzfindigkeit und der Lust am Ungehorsam der Schweizer Eidgenossen. Anstatt eines Kruzifix hängten diese ein schlichtes Steinkreuz auf, was einem Urteil des Bundesgerichts genügte. Damit wollte die Schulbehörde die Mehrheit besänftigen, die auf den sturen Deutschen ziemlich sauer war. Somit hätten die einen ihr Kreuz, und die Kinder Schlesingers müssen nicht mehr auf den leidenden Jesus blicken. Mit ein wenig Toleranz wäre somit allen gedient gewesen.

Dummerweise wollte der Freigeist das aber nicht akzeptieren. Anstatt die salomonische Lösung hinzunehmen, kündigte er an weiterzuklagen, bis auch die schmucklosen Kreuze verschwunden sind. Die aufgebrachte Bevölkerung hat der dreifache Familienvater noch akzeptiert. Irgendwann gingen dann aber Morddrohungen per Post und Telefon ein. Die Bedrohung durch die sogenannten „Katholiban“ nahm der streitlustige Deutsche sehr ernst. Daraufhin beschloß er, die Schweiz zu verlassen.

Die Deutschen werden sich auf die Rückkehr von David Schlesinger sicher freuen. Vielleicht nach Bayern. Da hatten bekanntlich ähnliche Klagen Erfolg.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen