© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/10 29. Oktober 2010

Aus der Finanzkrise nichts gelernt
Immobilienmarkt: Das Geschäft mit den Kreditverbriefungen geht weiter / Hohe Verschuldung der Privathaushalte könnte Immobilienfonds gefährden
Marco Meng

Kürzlich fand in Berlin der jährliche „True-Sale“-Kongreß statt, bei dem es um den Verkauf und die Verbriefung von Krediten ging. Kommt einem das nicht irgendwie bekannt vor? Diese Praxis war eine Ursache der Finanzkrise gewesen, die dem Staat Milliarden-Lasten aufgebürdet hat. Die von deutschen Banken 2004 gegründete True Sale Initiative (TSI) behauptet, selbst während der Finanzkrise seien in Europa nur 0,65 Prozent aller Kreditverbriefungen „faul“ gewesen. Europäische Schuldner seien solvent – und somit auch die Verbriefungen sicher. Doch was in der Vergangenheit gutgegangen ist, muß nicht notwendigerweise auch in Zukunft gutgehen. Die 2009 notverstaatlichte Bank HRE ist nur dank der Steuerzahler-Bürgschaften in Höhe von über 140 Milliarden Euro noch nicht in die Insolvenz gefallen – zu viele Wertpapiere hatten sich als wertlos erwiesen.

Bei der Bewertung von Verbriefungen durch Ratingagenturen besteht die Gefahr, daß die Emitenten ihr Produkt dafür maßschneidern. Sie können sich aussuchen, welche Agentur ihr Machwerk bewertet. Der Wormser Ökonom Max Otte, der sowohl die Kredit- wie auch die Euro-Krise rechtzeitig vorhergesagt hatte, hält nichts von Verbriefungen. Es sei unmöglich, jederzeit ihren aktuellen Wert festzustellen. Eine Bank kann die Papiere daher in ihrer Bilanz kaum verläßlich verbuchen: „Das Bankensystem hat in Deutschland bis vor wenigen Jahren wunderbar funktioniert ohne irgendwelche Kreditverbriefungen. Es hat seinen Job besser gemacht als heute. Es hat den Mittelstand und die Industrie mit Krediten versorgt – ohne Kreditverbriefungen.“

Dramatisch könnte es bei den Immobilienschulden werden. Für den Fonds US-Grundinvest (WKN 679181) kündigte der Anbieter Kanam bereits die Abwicklung an. Auch die seit Oktober 2008 eingefrorenen Immobilienfonds Degi Europa und P2 Value müssen bis Monatsende entscheiden, ob sie wieder Anteile ihrer Anleger zurücknehmen oder die Fonds abwickeln. Im September mußte sogar Allianz Global Investors den Dachfonds Premium Management Immobilien-Anlagen P (WKN A0ND6C) vorübergehend schließen.

Laut einem EU-Papier sind die Privathaushalte in vielen Mitgliedsländern stark verschuldet. Irlands notverstaatlichte Banken stehen vor dem Zusammenbruch (JF 40/10). In Deutschland sind acht Prozent der Privathaushalte überschuldet – das sind 3,3 Millionen Haushalte mit einem Schuldenberg von insgesamt etwa 120 Milliarden Euro. In diesem Jahr werden wohl 140.000 Privathaushalte Insolvenz anmelden, etwa 10.000 mehr als 2009. Nur in Großbritannien wird mit noch mehr Haushaltspleiten gerechnet (157.000). Frankreich liegt EU-weit auf Platz drei. Sind die europäischen Schuldner also wirklich so solvent wie TSI angibt?

Seit 2000 ist die private Schuldensumme weltweit um etwa 40 Billionen Dollar gewachsen. Die Gesamtverschuldung erreichte in Großbritannien fast das Fünffache der jährlichen Wirtschaftsleistung. In Spanien liegt der Schuldenstand der Privathaushalte bei 1,7 Billionen Euro. Wenn diese Kreditblase platzt, sind es fraglos wieder die Steuerzahler, die dafür zahlen müssen.

 

Kreditverbriefungen

In der Zeit vor den „Finanzinnovationen“ mußte eine Bank einen Teil ihrer Kreditsumme als Eigenkapital vorweisen. Wenn ein Schuldner nicht zahlen konnte, trug die Bank so einen Teil des Verlustes selbst. Als Konsequenz aus der Finanzkrise brauchen Banken künftig mehr Eigenkapital. Weil das aber die Kreditsumme und das Gewinnpotential beschränkt, entstand in den USA die Verbriefung: Gebündelte Kredite werden in Tranchen zerlegt. Bei einem Teil werden die Käufer aus den Rückzahlungen vorrangig bedient, der andere Teil abgestuft nachrangig, entsprechend unterschiedlich die Verzinsung. Als „Sicherheit“ dient die Bewertung der Ratingagenturen.

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