© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/10 29. Oktober 2010

Stein um Stein
JF-Serie Rekonstruktionen (2. Folge): In Nürnberg ist der Wiederaufbau des Pellerhofes auf private Spender angewiesen
Claus-M. Wolfschlag

Von den Stadtbildverlusten infolge des Bombenkriegs schmerzt der Untergang des alten Nürnberg besonders stark. Die bis 1945 mittelalterlich und frühneuzeitlich geprägte fränkische Metropole versank im Verlauf mehrerer Angriffe teils zu Schutt und Asche. 90 Prozent der Altstadtsubstanz gingen verloren. Damit verschwand ein architektonisches Ensemble, das es qualitativ mit manch oberitalienischer Metropole aufnehmen konnte.

Auch der anfänglich um die Erhaltung städtebaulicher Grundlinien und Maßstäbe bemühte Wiederaufbau konnte den einstigen Eindruck nur bedingt wiederherstellen. Zahlreiche teilbeschädigte Baudenkmale, vor allem Kirchen, das Rathaus und die über der Altstadt thronende Kaiserburg, wurden wieder aufgebaut, andere Bereiche hingegen mit typischer Nachkriegsarchitektur überformt.

Große Verdienste bei der teilweisen Wiederherstellung und Pflege von Altbauten hat der in den fünfzig Jahren gegründete und 1976 im Kampf gegen Altbauabrisse neustrukturierte Verein der „Altstadtfreunde Nürnberg“ erlangt. Systematisch kaufte der mittlerweile 5.500 Mitglieder umfassende Verein erhaltene, aber vom Verfall bedrohte Altstadthäuser auf und renovierte sie. Auch Schenkungen und Erbschaften führten ihm Immobilien zu. Über 200 Bauprojekte wurden so durchgeführt, darunter über 40 Fachwerkfreilegungen. Zudem nahm man Einfluß auf die kommunale Stadtgestaltung, konnte die Stadtoberen in zähen Verhandlungen von weiteren Abrissen abbringen, und verschönte Neubaufassaden durch gesammelte Spolien – Chörlein-Erker und Statuen –, die man aus der Trümmerwüste geborgen hatte.

Das Bewußtsein für die Kraft der Rekonstruktion ist aber bei den Nürnbergern bislang schwach ausgeprägt. Und so schmerzt weiterhin der Verlust einiger bedeutender Baudenkmale der Stadt, darunter der Moritzkapelle mit dem Bratwurstglöcklein, des Groland- und des Toplerhauses. Beim nicht weniger bedeutenden Pellerhaus scheint sich allerdings eine leichte Abkehr von der bisherigen Linie anzudeuten, nur Substanz zu sichern und nicht zu rekonstruieren.

Anfang des 17. Jahrhunderts errichtete der reiche Kaufmann Martin Peller eines der prächtigsten Wohngebäude der Stadt im Stil der Renaissance. Vorder- und Hinterhaus wurden durch einen Arkadenhof miteinander verbunden. Das bis ins 20. Jahrhundert fast unverändert am Egidienplatz erhaltene Gebäude stürzte nach dem verheerenden Bombenangriff vom Januar 1945 ein, so daß nur noch Teile aufeinander standen, darunter ein Drittel des Hofes. 1957 errichtete man auf dem erhaltenen Erdgeschoß des Vorderhauses einen Neubau im Stil der damaligen Zeit als Stadtbücherei. Die originale Wiederherstellung des Hofes wurde bei der Hälfte der Arbeit eingestellt, so daß dort lange nur der Eindruck einer gesicherten Ruine bestand.

Ab 2005 engagierte sich der Steinmetz Harald Pollmann für die Komplettierung des Renaissancehofes. Die Bevölkerung zeigte entgegen der geschichtsvergessenen Obrigkeit positive Resonanz, über 90 Prozent sprachen sich in einer Umfrage der Nürnberger Zeitung für die Rekonstruktion aus. Argumente, man würde die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs vertuschen wollen, wurden schwächer. Der Nürnberger Stadtrat gab deshalb 2006 nach einigem Zaudern und entgegen des massiven Widerspruchs des Denkmalschutzamtes, der Grünen und vieler Sozialdemokraten rechtlich grünes Licht für das private Vorhaben, wenngleich keine finanzielle Unterstützung.

Seitdem können Bürger über den eigens gegründeten „Förderkreis Pellerhof“ im Rahmen der „Altstadtfreunde“ Steinspenden tätigen. Besonders engagierte Spender werden in der Nürnberger Zeitung in Porträts vorgestellt. Dennoch fehlen von den drei Millionen Euro Baukosten bislang noch zwei Millionen.

Der Wiederaufbau des Pellerhofes ist seit 2008 schleppend im Gang. Doch 2015/16 soll er abgeschlossen sein. Danach entscheidet sich, ob auch die kunstvolle Vorderhausfassade und eventuell noch ein Nebengebäude rekonstruiert werden können. Gegner dieses Ansinnens ziehen sich auf die Position der Erhaltung des Status quo als denkmalgeschütztes Zeugnis der Nachkriegsarchitektur zurück. Der gebeutelten Stadt hingegen wäre eine Wiederherstellung des kompletten und ungleich filigraneren Pellerhauses zu wünschen. Es könnte ein neuer Startschuß für Nürnberg sein.

www.altstadtfreunde-nuernberg.de

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