© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/10 05. November 2010

Mouhanad Khorchide will den Islam re­flektieren. Sein Vorgänger wich Morddrohungen.
In tödlicher Mission?
Peter Müller

Sarrazin sagt es, die Kanzlerin sagt es, und Bundesbildungsministerin Schavan sagt es auch: Integration kann nur durch Bildung gelingen. Mit Blick auf die über vier Millionen Muslime im Land betont die oberste Bildungspolitikerin der Republik, für sie gehöre dazu auch „die Frage nach Gott“. Die Beantwortung derselben soll in Zukunft aber nicht mehr in den Händen muslimischer Importlehrer liegen, sondern „made in Germany“ erfolgen. Die Universitäten in Tübingen, Osnabrück und Münster treten nun ab diesen Herbst an, um den geschätzten Bedarf von 4.000 Islamlehrern zu decken.

In dieser Mission tritt mit dem 38jährigen Mouhanad Khorchide ein Professor ans Münsteraner Katheder, der die „traditionelle islamische Theologie kritisch reflektieren“ will. Denn seine „Studierenden“, so der im Libanon Geborene, „sollen den Islam nicht als Gesetzesreligion verstehen“.

Ob dem „islamischen Humanisten“ (Korchide über Korchide) allerdings mit einer derart liberalen Haltung nicht bald Ärger seitens des Zentralrats der Muslime ins Haus steht, der seine Berufung unterstützt? Denn „der Islam muß nicht verändert werden“, so die Haltung des Vorsitzenden des muslimischen Lobbyvereins Aiman Mazyek.

Bezeichnend ist auch das Schicksal von Korchides Vorgänger. Auf dem Lehrstuhl für islamische Religionspädagogik folgt er Sven „Mohammed“ Kalisch nach, der abberufen wurde, nachdem er Zweifel an der historischen Existenz des Propheten äußerte. Das historisch-kritische Herangehen an den Islam brachte Kalisch Morddrohungen und seinem Nachfolger einen chipkartenbewehrten und kameraüberwachten Büroeingang ein.

Daß der neue „Prof“ es mit seinem kritischen Anspruch allerdings ernst meint, läßt seine 2009 veröffentlichte Doktorarbeit zum Thema „Islamischer Religionsunterricht in Österreich“ vermuten. Der seit 1989 in Wien lebende und von 2006 bis 2008 als Forschungsassistent an der dortigen Universität tätige Jungwissenschaftler förderte darin reichlich Sprengstoff zu-

tage, der ein bezeichnendes Licht auf den tatsächlichen Stand der Integration jenseits der üblichen Beschwichtigungsrhetorik wirft: Rund ein Fünftel der Befragten halten Demokratie und Islam für unvereinbar, 14 Prozent lehnen die Verfassung ab, und über 18 Prozent befürworten die Todesstrafe für Abweichler. Immerhin noch 8,5 Prozent äußern Verständnis dafür, wenn zur Ausbreitung des Islams Gewalt angewendet würde. Befragt wurde übrigens nicht das einfache „Fußvolk“, sondern 200 der 400 in Österreich bereits tätigen islamischen Religionslehrer!

Besorgniserregend ist aber auch Korchides eigener Umgang mit der Studie: Er hielt sie zunächst zurück, um rechten Parteien nicht in die Hände zu spielen. Demokratie und Transparenz sind also auch für den Lehrer der Lehrer nur relativ.

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