© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/10 05. November 2010

CD: Naturromantik
Spiegel der Seele
Dominik Tischleder

Naturromantik“ ist so ein Begriff, der seit etwa Mitte der Neunziger auf den Beipackzetteln neuer Metal- und Neofolk-Veröffentlichungen hoch im Kurs steht. Für gewöhnlich werden mit diesem Schlagwort Gruppen angepriesen, deren Intention es ist, beim Hörer eine „Caspar-David-Friedrich-Stimmung“ zu evozieren. Das gelingt freilich nicht immer, mitunter hat man es eben bloß mit einer eskapistischen Schwärmerei zu tun, die Hörer jenseits der Fünfzehn etwas ratlos zurückläßt.

Liebhaber dieser „naturromantischen“ Szene, die sich meist im Niemandsland zwischen ambitionierter Metalmusik, Neofolk und Gothic trifft, befinden sich gegenwärtig im Zustand gespannter Vorfreude, denn Empyrium aus dem fränkischen Hendungen, auch international eine der wichtigsten Projekte dieses Stils, kündigten nach der vorläufigen Auflösung 2002 ihre baldige Rückkehr an.

Bevor es jedoch so weit ist, schiebt Prophecy, der Musikverlag, der mit Empyrium und eben solcher Musik groß wurde, eine Zusammenstellung in Form einer Doppel-CD vor, die einen Querschnitt dieser jung-romantischen Szene präsentiert und mit ihrem Titel „Whom The Moon a Nightsong Sings“ auch gleich an altehrwürdige englische Romantiker gemahnt. Mit dabei dann auch eine neue Komposition von Empyrium, die etwas wuchtiger daherkommt als man das erwartet hätte.

Zur Erinnerung: Empyrium verließen ihre Hörer mit dem „Weiland“-Album, welches zu Recht als die bestmögliche Annäherung an Schuberts „Winterreise“ gilt, die jenseits der Klassik vorstellbar scheint. Nun hingegen strömt ein Pathos aus den Boxen, das typisch für Metalmusik ist, obgleich Empyrium eben diesen nicht spielen.

Ähnlich oszillierend zwischen Rockballade, authentischer Folklore, Progressive Rock und besinnlichem Neofolk bewegen sich auch die anderen Beiträge, darunter solche von alten Bekannten wie Orplid, Neun Welten und Nebelung (eine C.F.-Meyer-Vertonung), neben Neuankömmlingen unter anderem aus Frankreich, England und Skandinavien.

Wie auf jeder Zusammenstellung ist auch hier die Qualität schwankend, das heißt, der Weltschmerz kann in Kitsch übergehen; ebenso kann es passieren, daß ein Sänger mal nicht ganz den Ton trifft. Dabei fällt auf, daß die meisten Kompositionen von der im Vordergrund stehenden instrumentellen Seite äußerst filigran und detailreich arrangiert sind, was wiederum bedeutet, daß gerade Liebhabern progressiver Klänge das Album ans Herz zu legen ist. Es ist jedenfalls nicht der Charme von Dilettanten, der hier verströmt wird.

Prophecy ist es mit dieser Zusammenstellung eindrucksvoll gelungen, einen Überblick über ein sehr eigenes Genre zu bieten, welches in der Regel, um ein Klischee zu bedienen, von langhaarigen, träumerisch ausschauenden Metalhörer-Studenten mit Hang zur Poesie und einsamen Spaziergängen geliebt wird; es verdient aber auch darüber hinaus gehört zu werden. Von Othmar Spann wird berichtet, daß er, wenn ihn jemand allzu schwärmerisch auf „die Natur“ ansprach, zu antworten pflegte: „Die Natur? Ach, ich bitt’ Sie, die Natur!“ Dies wäre natürlich die falsche Herangehensweise an diese Doppel-CD.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen