© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/10 12. November 2010

In der Sackgasse
CDU: Vor dem Parteitag in Karlsruhe bleiben Signale für eine Kehrtwende aus
Rolf Dressler

Um eigentlich nichts in der Welt wollte Deutschlands derzeitiger Innenminister Thomas de Maizière von der CDU mit dem vermeintlichen Makel behaftet werden, zuvorderst eine bärbeißige Kämpfernatur gegen den Terrorismus zu sein. Nun aber muß er sich wohl doch in genau dieses Schicksal fügen. Denn seine Kanzlerin Angela Merkel war offenbar so gar nicht amüsiert darüber, daß de Maizière sie ziemlich lückenhaft und erst mit Verzug über jenes explosive Paket aus dem Jemen informierte, das bis in die Poststelle des Bundeskanzleramtes gelangte, bevor es dort, reichlich spät, entdeckt wurde.    

Norbert Röttgen, schneidige Darstellernatur und Bundesumweltminister im Kabinett Merkels, hatte zwar die Nase vorn im Rennen um den Vorsitz der nord-rhein-westfälischen CDU, sieht sich und die dort am 9. Mai erdrutschartig abgewählten christlichen Demokraten jedoch gleichwohl meilenweit entfernt von einer baldigen Rückkehr an die Schalthebel der Landesmacht in Düsseldorf. Was aber streuen Gefolgsleute Röttgens – ganz im Sinne ihres Herrn und Meisters – in der Medienlandschaft aus? Im Stile flotter Zeitgeistreiter verkünden sie uns, dem gemeinen Bürgervölkchen: Politik, also auch die des Norbert Röttgen, werde in diesen neuen, schönen Zeiten nun einmal zielführend „über TV-Statements gemacht“. Und es sei dabei im Grunde auch völlig einerlei, ob die Hecke, vor der Norbert Röttgen die amtierende NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft von der SPD politisch herausfordern werde, nun in Düsseldorf, an der Spree oder sonstwo im Lande stehe.

Derlei dröhnendes Wortgeklingel läßt nur abermals auf eine befremdliche Rat- und Richtungslosigkeit innerhalb der CDU schließen. Eifernd nach links bemühtes Anpassertum über viele Jahre, wenn nicht sogar schon Jahrzehnte, hat die Union immer tiefer auf diese politische Einbahnstraße, in die geistige, konzeptionelle und auch programmatische Sackgasse geführt.

Fähnleinwender wie Norbert Röttgen, Thomas de Maizière und an der Spitze eben Angela Merkel höchstselbst beschleunigen diesen Marsch in die falsche Richtung. So wird denn nicht etwa die fortan von Röttgen angeführte oppositionelle NRW-CDU – immerhin der mitgliederstärkste Landesverband der Union – in Düsseldorf den Takt angeben, sondern Hannelore Kraft mit ihrer rot-grünen, von den Ultralinken geduldeten Minderheitsregierung. Verkehrte, aber sehr reale Welt. Sie verheißt wenig Gutes für Deutschland anno 2010 und in den kommenden Jahren.

Längst frönt die Union, die CDU vor allem, der Konsensduselei, blendet aber bis heute augenscheinlich noch immer aus, wie sehr sie bis in mediale Verhaltensweisen hinein nur noch als konturenarme Kopie der roten und grünen Konkurrenz wahrgenommen wird – obwohl sie dies fortwährend Sympathien und in geradezu abenteuerlichem Ausmaß Wählerstimmen kostet. Auch darin spiegelt sich die alte, ewig gültige Erkenntnis: Erfahrung erweitert zwar des Menschen Horizont, verringert aber leider nicht dessen Torheiten.

Es ist aller Ehren wert und zwingend notwendig, die Grundwerte ins Bewußtsein (zurück) zu rufen, für die gemäß ihren Wurzeln die christlich-demokratischen Parteien stehen sollten. Unzureichend aber bleiben solche Selbstbespiegelungsdebatten, solange sie abgehoben und unkonkret geführt werden. Von im besten Wortsinne konservativen Politikern erwarten die Menschen, daß sie offen, unbeirrbar und unverbrüchlich für das unbedingt Bewahrenswerte eintreten. Zu Recht wollen die Menschen auf die Verläßlichkeit und Grundsatztreue „ihrer“ Volksvertreter bauen können. Das leider weithin grassierende Gegenteil davon verstört auf Dauer selbst die Langmütigsten, verschafft den Nicht(mehr)wählern Zulauf.

Zu lange schon läuft die Vertreibung selbst der Wohlmeinenden: Da spricht Neu-Bundespräsident Christian Wulff in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit tatsächlich nicht ein einziges Mal vom „deutschen“ Volk. Und geflissentlich windet er sich um die klare Feststellung herum, daß unser Grundgesetz und der Islam mit seinem bis heute gültigen politischen Staats- und Herrschaftsverständnis objektiv nicht in Einklang zu bringen sind. Da finden namhafte christlich-demokratische Politiker nichts dabei, Anbietern gestohlener Bankkundendateien zu deren persönlichem Schutz von Staats wegen eine neue Identität zu verschaffen, obwohl ein solcher „Deal“ – man beachte die lässige Begriffswahl! – genauso verwerflich ist wie Hehlerei.

Und mit konservativer Aufrichtigkeit hat es ebenfalls nichts zu tun, wenn Angela Merkels schwarz-gelbe Bundesregierung sich des „größten Sparpakets der Bundesrepublik“ rühmt, in ihrem Selbstlob aber tunlichst zu verschweigen versucht, daß das aufgrund der gesetzlichen Schuldenbremse erlaubte Defizit im deutschen Staatshaushalt trotzdem auch im Jahre 2014 um mindestens 5,8 Milliarden überschritten werden wird.

Im Klartext: Schuldenbremse bedeutet eben nicht etwa, daß Vater Staat spart, es bedeutet allenfalls, daß er (etwas) weniger neue Schulden macht als in den allzu fidelen Verschwenderjahren und -jahrzehnten zuvor. Auch derlei Volksverdummung (oder Bevölkerungsverdummung?) nährt nur Zweifel und Verdruß im Lande.

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