© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Kreativer Umgang mit dem Grundgesetz
Bundesverfassungsgericht: Die nach Karlsruhe berufene feministische Juristin Susanne Baer stößt bei Staatsrechtlern auf Kritik
Eike Erdel

Mit Susanne Baer wird ab dem 1. Februar nächsten Jahres eine eingefleischte Feministin am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Recht sprechen. Sie folgt Brun-Otto Bryde nach, der 2001 als erster Verfassungsrichter von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen worden war.

Gemeinsam mit der SPD haben die Grünen nun Baer als Nachfolgerin durchgesetzt. Die 46 Jahre alte Berliner Staatsrechtlerin ist seit 2002 Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität. Als Professorin hat man ihr fachliche Qualifikation für das Richteramt unterstellt. Dies war auch der Grund, warum die CDU/CSU ihrer Wahl zugestimmt hat. Betrachtet man allerdings die von ihr vertretenen Rechtsansichten und ihre feministischen Aktivitäten, so sind Zweifel angebracht, ob sie in der Lage ist, Verfassungsstreitigkeiten objektiv zu beurteilen.

Ihre Veröffentlichungen befassen sich nicht mit klassischen verfassungsrechtlichen Fragen, sondern zwängen feministische Nischenthemen in einen grundrechtlichen Rahmen. Baer lehrt als erste und einzige Dozentin in Deutschland „feministische Rechtswissenschaft“. Deren Bedeutung für die juristische Ausbildung sieht sie vor allem darin, daß die Studenten hier nicht nur wie in allen juristischen Grundlagenfächern die Anwendung von Gesetzen lernten, sondern über die „Prämissen“ von Recht nachdenken müßten. Der „kreative Umgang“ mit Recht komme in der juristischen Ausbildung nach ihrer Auffassung zu kurz. Wegen dieses „kreativen“ Umgangs mit dem Recht sehen viele Kollegen die Staatsrechtlerin sehr kritisch.

Bei der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 2008 in Erlangen hielt Baer einen Vortrag zum Thema „Demographischer Wandel und Generationengerechtigkeit“, für den sie heftig angegriffen wurde. Sie befürwortete darin ein Wahlrecht für Ausländer, die längere Jahre in Deutschland leben. Von einer Förderung der Familie als Keimzelle des Staates wollte sie nichts wissen. Global gebe es den demografischen Wandel nicht. Die Geburtenförderung sei diskriminierend, weil ja nur die Bevölkerung eines bestimmten Staates gefördert werde. Statt für mehr Geburten plädierte Baer für mehr Zuwanderung, Integration dürfe dabei nicht Assimilation bedeuten. In diesem Sinne müsse das Grundgesetz ausgelegt werden.

Es waren nicht nur ihre Thesen als solche, sondern die fehlende Substanz, die viele Kollegen nach dem Vortrag angegriffen haben. Tatsächlich bezog sich Baer immer wieder allgemein auf Grundrechte und Menschenrechte, ohne diese konkret zu benennen. Der Bonner Staatsrechtler Christian Hillgruber warf ihr vor, daß es sich bei den angeführten Menschenrechten um „Rechtsbehauptungen interessierter Kreise“ handelt, „die sich aber weder völkerrechtlich verdichtet haben noch verfassungsrechtlich nachweisen lassen“. Der emeritierte Staatsrechtler Josef Isensee setzte noch eins drauf und faßte ihren Vortrag ironisch zusammen: „Frau Baer liebt die humanen Vereinfachungen. Ihr Rechtssystem, so schlicht wie ihr Weltbild, besteht eigentlich nur aus den drei Prinzipen Freiheit, Gleichheit, Mitmenschlichkeit. Würden diese verwirklicht, so wäre die barrierefreie Erde hergestellt und mobile, überall wahlberechtigte Migranten füllten die demographischen Lücken.“

Wenn man wie Baer entgegen der absolut herrschenden Lehre mit dem Verfassungsrecht „kreativ“ umgeht und sich immer auf nicht näher bezeichnete Menschenrechte beruft, dann kann man ziemlich jede politische Ansicht rechtlich begründen.

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