© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Gruß aus Wien
„Openminded City“
Peter Wassertheurer

Die alte Kaisermetropole an der Donau hat ihren imperialen Reiz behalten. Geht man von der Wiener Oper die Kärntnerstraße entlang bis zum Stephansdom und erreicht über den Graben den Heldenplatz, begegnet man dem alten Wien. Parlament, Rathaus, die Burg, das Naturhistorische Museum, Burgtheater, die alte Universität sind Zeugen dynastischer Größe, für die der Name Habsburg steht.

Der Wiener Charme à la „Küß’ die Hand, Gnädigste, das Fiakergulasch, der Heurige, die Sachertorte, Wiener Melange, Kaiserin Sissi und das „guate Wiener Herz“ geben der Stadt ihre unverwechselbare Identität. Zehn Millionen Besucher kommen jedes Jahr in die Welthauptstadt der Musik. „Wien ist anders“, lautet seit Jahren ein bekannter Werbespruch.

Ja, Wien ist anders. Fernab der Ringstraße, die das alte Wien umschließt, verblaßt der k.u.k.-Charme zunehmend. Einerseits  zehren Budapest, Prag und Preßburg vom selben Erbe. Andererseits setzt man auf die Moderne.

„Vision und Wirklichkeit“ heißt dann auch das Motto des neuen Stadtteils Seestadt, der derzeit im 22. Bezirk (Donaustadt) aus dem Boden gestampft wird. Das Areal des ehemaligen Flugfeldes Aspern umfaßt 240 Hektar – soviel wie 340 Fußballfelder oder die Fläche des 7. (Neubau) und 8. (Josefstadt) Wiener Gemeindebezirks zusammen. Die Seestadt soll in mehreren Phasen und über die Dauer von mindestens zwei Jahrzehnten errichtet werden und letztlich 8.500 Wohneinheiten für 20.000 Menschen, 20.000 Arbeitsplätze umfassen (darunter 15.000 im Segment Büros und Dienstleistungen).

Viel Zeit um die Visionen auszuleben. Urban und Grün, Zentrum und Ruhepol zugleich. Stadt und Natur, Abgrenzung und Freiraum in einem. Die Ziele der Entwicklungsgesellschaft hinsichtlich ihrer „open minded city“ sind ambitioniert. Die Vermarktungsmaschine läuft auf Hochtouren. Doch die Realität sieht noch anders aus. Die Grünen wittern die Gefahren einer „entkoppelten Satellitenstadt“ und der Wiener FPÖ-Verkehrssprecher Toni Mahdalik legt die Finger auf die Wunde: Die Bevölkerung in Aspern und Essling sei angesichts der Bauarbeiten schwer verärgert über den massiven Verlust an Lebensqualität. Doch das kratzt die Macher der schönen neuen Welt wenig. Und so veranstalten sie 4. Stadtrandspaziergang mit im Rahmen der Vienna Art Week  oder das „aspern Citylab – ‘Future Shopping’“, inklusive „kick-off lectures and panel discussion.“

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