© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Kontrolle der Flut
Spanien: Die konservativ-liberale Partido Popular will es illegalen Einwanderern schwerer machen
Michael Ludwig

Nicht nur hierzulande bricht sich die Diskussion darüber, wie viele Ausländer das Land und seine Finanzen tragen, Bahn, auch in Spanien steht dieses Thema auf der Agenda, allerdings mit einem gewichtigen Unterschied zu Deutschland. Während in Deutschland die Protestbewegung weitgehend von einzelnen und Teilen der Bevölkerung getragen wird, hat sich auf der Iberischen Halbinsel die konservativ-liberale Partei, Partido Popular (PP), dieses Themas angenommen.

Aktueller Aufhänger, verschärfte Bestimmungen gegen illegale Immigranten zu fordern, sind die Wahlen in der nordöstlichen Provinz Katalonien am 28. November dieses Jahres. Dort kam es jüngst zu Protesten der Bevölkerung gegen das massive Auftreten von Sinti und Roma, in deren Verlauf PP-Anhänger Flugblätter mit der Überschrift „Wir wollen keine Zigeuner“ verteilten.

Nun will die katalanische PP aus der Stimmung der Bevölkerung, die sich durch die massive Zuwanderung überfordert fühlt, Honig saugen. Aus fast allen Teilen der Welt strömen Armutsflüchtlinge in das südeuropäische Land, das noch vor einigen Jahren aufgrund einer boomenden Bauindustrie Arbeitskräfte anzog wie das Licht die Motten. Vor allem Lateinamerikaner, Marokkaner, aber auch Rumänen, Ukrainer und Bulgaren kamen, um an dem wachsenden Wohlstand teilzuhaben.

In den Zentren der Großstädte verdrängten geschäftstüchtige Asiaten Teile des Mittelstandes, um billigen, in Fernost produzierten Ramsch zu verkaufen. Derzeit beträgt die Ausländerquote in Spanien 12,3 Prozent (Deutschland: 8,8 Prozent). Als vor zwei Jahren die Immobilienblase platzte, zwanzig Prozent der arbeitenden Bevölkerung ihre Jobs verloren, und Ministerpräsident Zapatero auf Druck seiner europäischen Partner einen rigorosen Sparkurs durchsetzen mußte, beginnt man in Madrid darüber nachzudenken, welche öffentlichen Wohltaten noch verteilt werden können und welche nicht.

Als Speerspitze dieser Entwicklung profilierte sich in den letzten Wochen die Chefin des katalanischen PP, Alicia Sanchez-Camacho. Sie legte eine Liste von Forderungen vor, mit deren Hilfe der Mißbrauch von Sozialleistungen durch illegale Immigranten eingedämmt werden soll. So ist vorgesehen, daß Ausländer, die sich bei den Behörden registrieren lassen wollen („Empadronamiento“), künftig gültige Ausweispapiere vorlegen müssen.

Hinzu kommt, und das sorgt für politischen Zündstoff, daß die Beamten der Städte und Gemeinden dazu aufgefordert werden, die Daten an die Polizei weiterzugeben. Hintergrund ist, daß die Einschreibung in das Melderegister der Schlüssel für den Zugang zu Schulen, dem Gesundheitswesen und anderen sozialen Leistungen darstellt.

 In diesem Zusammenhang erklärte Rafael Hernando, Verantwortlicher des PP für die Einwanderung, in einem Presseinterview: „Wir müssen die Flut kontrollieren. Es kann nicht sein, daß Spanien die Eintrittstür für Immigranten nach Europa ist. Das ist nicht zu unterstützen. Der Weg, daß Beamte der Polizei mitteilen, wenn sie illegale Einwanderer ausmachen, ist gut. Er ist jedenfalls besser, als der, bei dem Illegale ihren Reibach machen.“

Die Verschärfung des innenpolitischen Kurses hinsichtlich der Migrationspolitik durch die katalanischen Freunde ist offensichtlich mit der Parteispitze in Madrid abgestimmt. Nach Ansicht von Rafael Hernando wird sie vermutlich in das Programm aufgenommen, mit dem der PP die nationalen Wahlen 2012 gewinnen will. Javier Arenas, einer der vermutlich einflußreichsten Politiker des Partido Popular, betonte: „Alicia Sanchez-Camacho verteidigt mit allen Konsequenzen die legale Immigration. Was sie allerdings auch macht, ist, daß sie mit der Demagogie der Vergangenheit, die ‘Papiere für alle’ fordert, bricht.“

Wie sehr dem PP daran gelegen ist, sein konservatives Profil zu schärfen, kann man auch an der Regierungschefin der Provinz Madrid, Esperanza Aguirre, erkennen. Die Politikerin, die es vortrefflich versteht, knochenharten Konservatismus mit persönlichem Charme zu verbinden, sprach sich neulich dafür aus, die republikanische Bewegung der Tea Party aus den USA nach Spanien zu holen. In einem Interview mit dem Fernsehsender TVE erklärte sie: „Den Linken erscheint die Tea Party als total schreckenerregend, für sie wird sie von den Amerikanern veranstaltet, die völlig verrückt geworden sind. Diese Bewegung fordert weniger Steuern, weniger Einfluß der Regierung und ein Mehr an amerikanischer Nation. Das sind drei Wünsche, die nicht schlecht sind. Mit diesen drei angeblich so verrückten Ideen bin ich durchaus einverstanden.“ Der Frage, ob sie denn einer solchen Bewegung, wenn sie denn in Spanien Fuß fassen würde, ein Gesicht und damit die Führung gäbe, wich die gewitzte Politikerin mit einer ironischen Wendung aus: „Was in den Vereinigten Staaten Tea Party heißt, müßte bei uns Kaffee-Party heißen.“

Foto: Flüchtlinge auf der spanischen Insel Teneriffa (Juli 2008): Spanien ist ein Hauptziel der Migrantenströme

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