© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Genaueres weiß man nicht
Slowenien: Die Entdeckung eines Massengrabes offenbart die Schwierigkeiten des Landes mit seinem Erbe / Untersuchungsergebnisse erst in einigen Monaten
Manuel Gruber

Der Experte des Volksbundes Deutsche Krieggräberfürsorge hatte sich auf den Weg ins ostslowenische Rann (Brežice) gemacht, um mehr über die Zahl und die Herkunft der Opfer des neu entdeckten Massengrabes in Erfahrung zu bringen. Doch er kam zu spät. Der Graben war bereits wieder zugeschüttet.

In einem knapp 200 Meter langen Panzergraben des Zweiten Weltkrieges  hatte man Mitte Oktober bei Untersuchungen eine große Anzahl Schädel und Knochen gefunden ((JF 46/10). Die Herkunft der im Mai/Juni 1945 von Partisanen Ermordeten liegt noch im dunkeln. Doch geht man von Slowenen, Kroaten und Deutschen aus. Neben Überresten von Angehörigen von kroatischen Ustascha-Einheiten wurden auch mit Telefondraht gefesselte Skelette von Zivilisten gefunden. Die slowenische Tageszeitung Dnevnik schloß zudem nicht aus, daß auch Angehörige der 7. SS-Freiwilligen-Gebirgsdivision „Prinz Eugen“ in Rann liegen könnten. Doch Genaueres weiß man nicht.

Denn seitdem die ehemals kommunistische Linke in Slowenien 2008 wieder an die Macht kam, ist die Arbeit der Historiker und der Gräberkommission, die die kommunistischen Verbrechen aufarbeiten soll, schwierig geworden. So widersetzt sich das Kultusministerium dem Plan, 200 der größten Massengräber zu Mahnmalen zu erklären. Daß Präsident Danilo Türk den letzten kommunistischen Geheimdienstchef Sloweniens mit einem Orden auszeichnete, fügt sich in die aktuelle ideologische Rehabilitierung des Kommunismus in Slowenien.

Zeitgleich schwankt die Reaktion in Internetforen zu den neuen Funden zwischen Zynismus – schließlich habe es sich bei den Opfern nur um Nazis und Kriegsverbrecher gehandelt – und Pragmatismus: es gebe keine Aufarbeitung, weil die Mehrheit sich mit der lange offiziell propagierten Version der Ereignisse abgefunden habe.

Die Frage, ob die Abrechnung deutsche Einwohner und Flüchtlinge, SS-Einheiten traf, slowenische Domobranzen (Landeswehr), den Tito-Kommunisten verdächtige slowenische Bürgerliche oder serbische und kroatische Tito-Gegner, scheint offiziell hinter dem Partisanenmythos zurücktreten zu müssen.

Vor 2008 war das noch anders. Die konservative Vorgängerregierung Jansa hatte begonnen, auch an die Rachemorde des Kriegsendes zu erinnern und Denkmäler zu Ehren der Domobranzen errichten lassen. Doch Oto Luthar von der Slowenischen Akademie der Wissenschaften sprach damals schon von einer „Kontaminierung der Geschichtsinterpretation“: Die „funktionale Kollaboration“ der Landeswehr werde legitimiert und der Kampf der Partisanen zu Rassismus und Terror umgedeutet.

 Die unideologische Aufarbeitung der Vergangenheit hat in Slowenien einen schweren stand. Umfragen weisen immer wieder in Richtung Glorifizierung des Partisanenkampfes. Nur ein Viertel der Slowenen steht demnach der Landeswehr positiv gegenüber und zwei Drittel den Partisanen.

Schädel und Knochen aus dem Massengrab lagern nun in der Gerichtsmedizin. Zwar liegt die Leitung der Untersuchung bei den slowenischen Behörden, dennoch zeigt sich der Sprecher des Volksbundes im Gespräch mit der JF vorsichtig optimistisch. Man stehe in Kontakt, mit Ergebnissen sei aber erst im Sommer nächsten Jahres zu rechnen.

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