© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Frisch gepresst

Helmut Schmidt. In der Reihe der deutschen Regierungschefs von Adenauer bis Merkel ist Helmut Schmidt (1974–1982) gewiß der unerreichte Max Webersche Idealtyp eines Bundeskanzlers gewesen – und der beste Kanzler-Darsteller sowieso. Theo Sommer, langjähriger Zeit-Chefredakteur und seit 1983 durch täglichen Umgang mit dem vom politischen ins publizistische Fach gewechselten Weltökonomen zum Schmidtologen gereift, billigt ihm im jüngsten Großporträt gar zu, im „deutschen Herbst“ 1977, im Zenit des RAF-Terrorismus, den Nimbus des „Volkskanzlers“ genossen zu haben. Diese Etikettierung hat der inzwischen fast 92jährige Kettenraucher bis heute nicht eingebüßt. Den „Zeitungsmann“ Schmidt, der auch als Mitherausgeber und Leitartikler des Hamburger Wochenblatts stets „Staatsdenker“ geblieben sei, präsentiert Sommer aus wohlwollender, sehr persönlicher Perspektive. Dabei den latenten Dissens nicht verschweigend, der zwischen dem Bundeskanzler a. D. und der linksliberalen Redaktion bestand, die etwa 1990 für die deutsche „Zweistaatlichkeit“ votierte. (wm)

Theo Sommer: Unser Schmidt. Der Staatsmann und Publizist. Hoffmann und Campe, Hamburg 2010, gebunden, 416 Seiten, 22 Euro

 

Schuldstolz. Der emeritierte Politikwissenschaftler und Jurist Konrad Löw wehrt sich seit Jahren gegen die Behauptung, „die Deutschen“ im Dritten Reich hätten allesamt von der Judenverfolgung und -vernichtung gewußt, sie sogar gutgeheißen. Für Löw gibt es kein „Tätervolk“, sondern nur individuelle Verantwortung. In unzähligen Quellen und Zeugnissen hat er Beispiele gesammelt, die zeigen, daß es in Deutschland zwischen 1933 und 1945 durchaus Mitleid und auch Hilfe für die verfolgten Juden gab. Löw stützt sich dabei vor allem auf Aussagen der Opfer selbst. All dies hat ihm mehrfach den Vorwurf eingebracht, er wolle die NS-Schuld relativieren. Erst vor kurzem setzte er sich gegen solche Anschuldigungen seitens der Bundeszentrale für politische Bildung erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht zur Wehr (JF 41/10). Nun legt Löw noch einmal nach, indem er die „ignorierten Antworten der Zeitzeugen“ zu Wort kommen läßt. Ergänzt durch ein Vorwort von Klaus von Dohnanyi und ein Nachwort von Alfred Grosser. (krk)

Konrad Löw: Deutsche Schuld 1933–1945? Olzog Verlag, München 2010, gebunden, 446 Seiten, 39,90 Euro

 

Historisches Kalenderblatt

25. November 1965: In Wiesbaden erhält die erste deutsche Schule einen Elektronenrechner. Die US-Firma Remington Rand stellt das 1,5 t schwere, ausgemusterte Röhrengerät zur Verfügung, um die Ausbildung in maschineller Datenverarbeitung zu fördern.

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