© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Es werde Licht, und es ward Licht
Neue Weltraumfotos lassen Städte, Küstenstreifen und Regionen der Erde brillant erkennen
Michaels Manns

Im Jahre 1959 machte die US-Weltraumsonde Explorer 6 ein erstes Foto von der Erde: Die Qualität des Schwarzweißbildes war nicht berauschend, aber es war ein Dokument der Zeit- und Technikgeschichte. Der ISS-Astronaut Douglas H. Wheelock hat jetzt den blauen Planeten noch einmal aus dem All abgelichtet – aus 350 Kilometern Höhe. Es sind ästhetische Bilder und sie lassen Städte, Küstenstreifen und Regionen brillant erkennen. Wie mit dem feinsten Pinsel sind die Lichtpunkte hingetupft. Es sind Städte und Landstriche, die nie zu schlafen scheinen. Die Fotos vermitteln auch ein Gefühl für Dimensionen: Wie groß ist die Erde, wie klein der Mensch.

Das Licht hat für uns etwas Geheimnisvolles. Fehlt es, wie in der Nacht, fühlen wir uns meist unwohl. Die grauen, lichtschwachen Wintertage sind uns ein Greuel. Wir assoziieren Licht mit Leben. Zu Recht: Denn nur durch die Energie der Sonne können sich komplexe Organismen entwickeln (Stichwort Photosynthese). Für den Physiker ist das Licht ein Werkzeug, um Erkenntnisse zu gewinnen. Licht ist für ihn ein elektromagnetisches Phänomen. Es besteht aus Wellen, in denen elektrische und magnetische Felder mit einer bestimmten Frequenz schwingen. Unser sichtbares Licht, Radio-Mobilfunk, WLAN, Röntgen- und Gammastrahlen – alles elektromagnetische Wellen. Sie unterscheiden sich nur durch ihre Frequenz.

Der britische Physiker James Maxwell hat alle Wellenarten mit vier mathematischen Formeln erfaßt – den sogenannten Maxwellschen Gleichungen. Das war vor rund 150 Jahren. Licht ist schnell: 299.792.458 Meter pro Sekunde im Vakuum. Nichts ist schneller. Das Licht braucht vom Mond zur Erde etwas mehr als eine Sekunde, von der Sonne etwas mehr als acht Minuten.

Das Licht von anderen Sternen ist Jahre, Jahrmillionen, sogar Milliarden Jahre unterwegs, bis es auf unser Auge trifft (oder in der Fernrohrlinse gesammelt wird). Alles, was wir über das Universum herausgefunden haben, verdanken wir der Analyse des Lichts in einer Art chemischer Fernanalyse. Licht und Erkenntnis hängen zusammen. Im Weltall existiert eine Strahlung , die 13,7 Milliarden Jahre alt ist – fast ein Zeuge des Urknalls, zumindest sein Echo. Einstein hat unsere Vorstellung vom Licht erweitert: So breitet es sich stets mit der gleichen Geschwindigkeit aus – unabhängig, ob sich die Lichtquelle bewegt oder nicht. Und Licht und Materie sind ineinander umwandelbar. Das drückt seine weltberühmte Gleichung E = mc² aus.

Der helle Nachthimmel fasziniert aber nicht nur, sondern alarmiert auch Kritiker. Sie sprechen von Lichtverschmutzung oder Lichtsmog und von einer „Zerstörung der Nacht“. Denn ein Großteil des Sternenhimmels ist bereits jetzt für viele Menschen nicht mehr sichtbar, der Blick ist blockiert durch Leuchtreklamen, Flutlichtanlagen und Skybeamer. Insekten, Vögel und andere Tiere würden durch zuviel Licht in Mitleidenschaft gezogen – und auch auf die menschliche Gesundheit könne sich die exzessive Nachtbeleuchtung auswirken. Lichtglocken über Großstädten und Industrieanlagen verbrauchen außerdem Energie. Für die USA werden pro Jahr (geschätzt) eine Milliarde Dollar für die nächtliche Beleuchtung ausgegeben.

Fotos: Weltraumfoto der unbewohnten Wüsten Nordafrikas und des stark besiedelten Nildeltas: „Zerstörung der Nacht“ durch Lichtsmog?, Oben: Foto eines Südpazifikatolls, etwa 2.000 Kilometer südlich von Honolulu. Rechts: Douglas H. Wheelock, US-Astronaut der Internationalen Raumstation ISS Unten: Aufnahme von Süditalien in einer klaren Sommernacht. Zu sehen sind das Mittelmeer und zahlreiche kleine Inseln sowie die italienische Küstenlinie (mit Capri und Sizilien) und die Insel Malta. Auch Neapel und der Vesuv sind deutlich erkennbar.

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