© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Jesus als Gigant
In Schwiebus entsteht die mit 36 Metern Höhe größte Christus-Statue der Welt
Christian Schwiesselmann

Schwiebus war schon im Vorkriegsdeutschland eine verschlafene Kreisstadt in der preußischen Provinz Brandenburg. Daran schienen auch die Polen jahrzehntelang nichts zu ändern, als sie es nach Flucht und Vertreibung der Deutschen bevölkerten. Einem katholischen Priester gelang es nun, den Schleier des Schlafes über der 22.000-Seelen-Gemeinde im Westen des heutigen Polens zu lüften. Und zwar mit einer gigantischen Christus-Statue, die ihr Vorbild in Rio de Janeiro mit 36 Metern Höhe in den Schatten stellt. Schlagartig rückte Schwiebus in den Fokus weltweiter Aufmerksamkeit.

Dem Initiator der Statue, Sylwester Zawadzki, kam es dabei gar nicht auf einen Überbietungswettbewerb ähnlicher Figuren in Bolivien oder Brasilien an: „Mir ging es nicht darum, irgendwem Konkurrenz zu machen, für mich bestimmte das Symbol die Höhe“, erklärte er beim Aufsetzen des Kopfes. Ohne Krone mißt die Jesus-Figur 33 Meter – jeder Meter steht für ein Lebensjahr des Religionsstifters. Nimmt man den extra aufgeschütteten Hügel hinzu, ragt der 440 Tonnen schwere Gigant sogar 52 Meter in Höhe.

Zawadzki sieht sich in göttlicher Mission. Hinter dem Bau verbirgt sich aber nicht nur ein persönliches Credo, sondern auch eine Hommage an den römisch-katholischen Nationalmythos der Polen. Der „Bau-Pfarrer“, der schon in den achtziger Jahren ein Gotteshaus in einem Schwiebuser Neubaugebiet selbst entwarf und realisierte, möchte dem säkularen Zeitgeist etwas entgegensetzen: „Seit 966 gibt es in Polen den christlichen Glauben. Er hat alle Systeme überlebt. Die Menschen sollen diesen Glauben nicht vergessen.“

Während der 78jährige Gemeindepfarrer sein Lebenswerk vollendet, erwartet die Stadtverwaltung Touristenströme, auch aus Deutschland. Sie könnten Geld in die Kasse der polnischen Kommune spülen. Und dies ohne eine Gegenleistung. Die Baukosten von umgerechnet einer Million Euro wurden nämlich von privaten Spendern und Unternehmern beglichen, wie Edmund Miara aus der Schwiebuser Verwaltung erläutert.

Die Errichtung der Christ-König-Statue – wie der offizielle Name lautet – dauerte fünf lange Jahre. Immer wieder verzögerte sich die Fertigstellung, die schon im November 2007 vorgesehen war. Einmal versiegte der Spendenstrom, ein anderes Mal waren keine Strafgefangenen verfügbar, die als kostenlose Arbeitskräfte eingesetzt wurden. 2008 stoppten die Behörden sogar den Bau, weil die Statue über die urspünglichen Pläne und alle statischen Vorschriften hinauswuchs.

Zuletzt scheiterten die Baukräne daran, die 25 Tonnen schweren Schultern mit den ausgestreckten Armen auf den Betonrumpf zu hieven. Nachdem das Haupt der Statue nun installiert ist, kann der offizielle Einweihungstermin am 21. November wohl gehalten werden. Das Umfeld ist allerdings noch nicht gestaltet: Wo jetzt noch ein Acker brachliegt, könnte sich bald ein Park erstrecken. Das neue Wahrzeichen der Stadt soll in die Landschaft eingebettet werden.

Auch die Landsmannschaft Berlin-Mark Brandenburg verfolgt den symbolträchtigen Bau in der alten Heimat mit Neugierde. Den Heimatkreisbetreuer für den alten ostbrandenburgischen Landkreis Züllichau-Schwiebus, Siegfried Reimann, beeindruckt die Statue als „wahres Bekenntnis zum christlichen Glauben“ offenkundig. „Es gibt ein erstaunliches Interesse unter den Landsleuten“, berichtet der gebürtige Ostbrandenburger, der aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Schwiebus stammt und heute in Schleswig-Holstein lebt.

Foto: Montage der Christ-König-Statue in Schwiebus: Kritiker werfen dem Bauprojekt Gigantismus vor

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