© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/10 26. November 2010

Fachkräftemangel als neues Einwanderungsargument
Preisfrage
von Jörg Fischer

Am 23. Februar 2000 fing alles an: Der damalige Kanzler Gerhard Schröder kündigte auf der Messe Cebit ein „Sofortprogramm zur Deckung des IT-Fachkräftebedarfs“ an – die Greencard war geboren. Zuvor hatten Lobbyisten getrommelt, ohne Zehntausende „Computer-Inder“ breche ihre Branche zusammen. Doch am 13. März 2000 platzte die New-Economy-Blase, 2003 wurde der „Neue Markt“ an der Frankfurter Börse geschlossen. Weniger als 18.000 Greencards wurden bis Ende 2004 ausgestellt. Aktuell wird nun die demographische Entwicklung bemüht, um die angeblich notwendige Einwanderung von jährlich 500.000 Fachkräften zu rechtfertigen oder das Fehlen von beispielsweise 300.000 Pflegekräften zu begründen.

Auch wenn einzelne Ökonomen solche Phantasiezahlen kritisch hinterfragen – ein Gegengutachten dürfte bald vorliegen. Sollten wirklich Fachkräfte fehlen, dann müssen sie ausgebildet werden. Zudem können sie schon heute in der EU angeworben werden, ab 66.000 Euro Jahresgehalt sogar weltweit. Diese Grenze auf 40.000 Euro abzusenken wäre der falsche Weg, das lockt keine Spitzenleute an. Einheimische oder hier ausgebildete Spezialisten verlassen sogar Deutschland, weil sie anderswo ein besseres Auskommen finden. Die Mär vom Fachkräftemangel ist nur ein Scheinargument für mehr Zuwanderung – doch die findet in der Regel in die Sozialsysteme statt.

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