© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/10 26. November 2010

Lockerungsübungen
Bedrohung der Freiheit
Karl Heinzen

Einst trugen die Coffee Shops wesentlich zum Renommee der Niederlande bei, ein Vorreiter für individuelle Freizügigkeit und gesellschaftspolitische Modernität zu sein. In Scharen machten sich Reisende aus nah und fern in unser Nachbarland auf, um an dem Lebensgenuß teilzuhaben, den es seinen Bürgern gönnte. In den vergangenen Jahren sind den Betreibern der Coffee Shops die Freiräume für wirtschaftliches Handeln allerdings mehr und mehr genommen worden. Viele haben bereits das Handtuch geworfen, und die Branche insgesamt fürchtet um ihre Zukunft.

Mancherorts drängen die Behörden auf eine Registrierung der Kunden, was die Nachfrage einer mehrheitlich auf ihre Anonymität bedachten Käuferschaft nahezu zum Erliegen zu bringen droht. Andere Kommunen sind darauf verfallen, die ladenübergreifend zu erwerbende Höchstmenge von Cannabis-Produkten so niedrig anzusetzen, daß sich mit ihr eigentlich gar nichts mehr bewirken läßt und die Kaufinteressenten lieber gleich auf Alkohol zurückgreifen. In nicht wenigen Orten ist sogar ein Totalverbot erlassen worden.

Einen Sonderweg beschreitet das nahe der deutschen Grenze gelegene Maastricht: Hier hat die Stadtverwaltung den Cannabis-Verkauf an Personen mit ausländischem Wohnsitz untersagt, um das Einströmen von Drogentouristen zu unterbinden. Gegen diese mit dem Geist des EU-Binnenmarktes kaum zu vereinbarende Diskriminierung ist ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof anhängig.

Populisten instrumen-talisieren die Ängste der Bevölkerung vor einer Islamisierung.

Mit landesweit gerade einmal 1900 Beschäftigten fällt die Branche volkswirtschaftlich natürlich nicht ins Gewicht. Auch ist die Frage berechtigt, ob Cannabis-Konsumenten dieser Infrastruktur zur Deckung ihres Bedarfs wirklich bedürfen. Es geht hier jedoch um weit mehr als ökonomische Nützlichkeit. Die Anhänger einer freien Gesellschaft sind in der Defensive. Muslimische Fanatiker wollen die rigiden Vorschriften ihrer Religion hinsichtlich des Konsums von Genußmitteln zum allgemeinen Maßstab erheben. Auf der anderen Seite instrumentalisieren Populisten die Ängste der Bevölkerung vor einer Islamisierung, um die Errichtung eines Law-and-Order-Staates zu betreiben. Gegen beide Tendenzen gilt es sich zu behaupten. Mit der Freiheit der Coffee Shops ist die Freiheit insgesamt bedroht.

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