© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/10 26. November 2010

Frisch gepresst

Kriegserfahrungen. „Auf Befehl des Großadmirals hat die Wehrmacht den aussichtslos gewordenen Kampf eingestellt.“ So liest man es im letzten, in einem Büro der Marineschule Mürwik abgefaßten Wehrmachtsbericht, gegeben zu „Flensburg, 9. Mai 1945“. Der Tübinger Erziehungswissenschaftler Ulrich Herrmann, der zusammen mit dem Potsdamer Zeithistoriker Rolf-Dieter Müller einen Sammelband über Kriegserfahrungen junger Soldaten zwischen 1939 und 1945 ediert hat, meint, dieser „Großadmiral“ sei Erich Raeder gewesen. Ein solcher Schnitzer ist nicht nur für Herrmanns eigenen Beitrag („Wie man Soldaten für Hitlers Krieg machte“) symptomatisch. Überall triumphiert das Deutungsmuster von Reemtsmas „Wehrmachtsausstellung“. Der Ton ist auf Hannes Heer gestimmt, der hier selbst garantiert Bekanntes über „Junge Soldaten im Krieg gegen die Sowjetunion“ beisteuert. In einer gußeisern proseminaristischen Interpretation des Ufa-Films „Kadetten“ von 1939 („Kriegserziehung im Film“) folgt ihm Kurt Abels. Und in dieser Diktion geht es dann fort, von Jens Eberts Analyse der „Feldpostbriefe aus Stalingrad“ bis zu Rüdiger Overmans Übersicht „Jugendliche in Kriegsgefangenschaft“. (wm)

Ulrich Herrmann, Rolf-Dieter Müller, Hrsg.: Junge Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Kriegserfahrungen als Lebenserfahrungen. Juventa Verlag, Weinheim 2010, broschiert, 446 Seiten, Abbildungen, 39 Euro

 

Kunstraub. Stalins „Trophäenbrigaden“ raubten 1945/46 auf dem Territorium des militärisch geschlagenen Deutschen Reiches 2,5 Millionen Kunstwerke. Das war der größte Raubzug, den die Menschheitschronik zu verzeichnen hat. Mit „Kompensation“ für die „Sicherstellungen“ etwa des Einsatzstabes Rosenberg auf Sowjetgebiet hatte das quantitativ sowenig zu tun wie die Morde und Vergewaltigungen der Roten Armee mit einer „Vergeltung“ von Missetaten der Wehrmacht. Das stellt der Münchner Kunsthistoriker Norbert Wolf in seinem Panorama zu einem welthistorischen Nebenkriegsschauplatz dar, der Geschichte des staatlich organisierten Kunstraubs. Chronologisch nicht immer diszipliniert, das 19. und 20. Jahrhundert vielleicht zu stark übergewichtend, zusammengedrängt auf 250 randvolle Seiten, erzählt Wolf atemlos eine spannend zu lesende „andere Kunstgeschichte“. (jr)

Norbert Wolf: Beutekunst. Transfers. Eine andere Kunstgeschichte. Marix Verlag, Wiesbaden 2010, gebunden, 256 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro

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