© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/10 03. Dezember 2010

Wie vorhergesagt
Euro: Für die Währung riskiert die deutsche Politik den Verfassungsbruch
Karl Albrecht Schachtschneider

Als Stabilitätsgemeinschaft ist die Währungsunion erwartungsgemäß gescheitert, als währungspolitische Finanzunion wird sie die Europäische Union (EU) ruinieren. Es wird nicht zusammenwachsen, was nicht zusammengehört. Die politische Klasse fürchtet um ihr liebstes Kind, eine EU, die sie mit dem Euro unumkehrbar vereinigen wollte und, weltfremd wie sie ist, noch immer vereinheitlichen will. Für diesen Zweck ist ihr jedes Mittel recht, auch der offenkundige Rechtsbruch. Aber sie hat keine Chance. Mögen Regierung und Parlament, wie mit Erfolg im Euro-Prozeß 1998, auf den Opportunismus des Bundesverfassungsgerichts setzen, die ökonomischen Gesetze werden sie nicht bezwingen. Die Medien sind bereits unsicher geworden. Den Glauben an „Europa“ haben sie verloren. Die Propaganda ist nur noch mühselige Pflichtübung. Die Völker wachen auf, der Widerstand der Bürger wächst.

Eine einheitliche Währung für unterschiedliche Volkswirtschaften, deren Leistungskraft, Sozialpolitik und Kultur nicht konvergieren, schadet allen. Die Möglichkeit, auf- und abzuwerten, ist am internationalen Markt unverzichtbar. Schneller Aufschwung ist die verführerische Anfangsphase importierter, leistungswidrig niedriger Zinsen, der Absturz der staatlichen und privaten Wirtschaft das ebenso sichere wie bittere Ende des kreditierten Wohlstandes. Die staatswidrige Geld- und Kreditpolitik mißachtet nicht nur die ökonomische Vernunft, sondern auch das Recht; denn die Bürger haben ein Recht auf Stabilität der Wirtschaft, zumal der Währung, ein Recht auf Sachlichkeit, auf praktische Vernunft. Eine Währungsunion ohne optimalen Währungsraum ist schweres Unrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat 1993 im Maastricht-Urteil trotz großer Bedenken und mit klaren Vorbehalten der Politik die Chance gelassen, die Währungsunion zu erproben, zum Schaden der beteiligten Völker. Die Auflagen des Gerichts ignorieren die deutschen Politiker in dem Glauben, sonst den irregeleiteten Interessen der EU nicht genügen zu können. Längst hätte Deutschland die Währungsunion verlassen und damit beenden müssen. Eine Aufwertung würde seine Kaufkraft im Innern und nach außen stärken. Die jetzt inflationierenden Partner hätten mittels Abwertung Exportchancen und würden zu tragfähigem Haushalten gezwungen. Allen wäre gedient. Aber Deutschland hält eisern an dem Euro-Wahn fest und treibt den Schaden ins Unermeßliche.

Den tragen nun die Völker und Menschen, die Reichen und die Armen, nur die Macher nicht, die Kapitalisten und ihre Lakaien in der Politik. Jetzt sollen die Banken ihren Gläubigerschaden mittragen. Das ist an sich selbstverständlich, aber hinter den Banken stehen die Einleger und Anleger, die nur begrenzt gesichert sind (und werden können). Deren Vermögen wird Angela Merkel weitgehend vernichten, was sie natürlich nicht ausspricht. Unbezahlbare Staatsschulden vernichten private Vermögen, sei es durch Forderungskürzung („Haircut“) oder gar Bankeninsolvenz, sei es durch Steuererhöhung, sei es durch Inflation, sei es durch eine Währungsreform. Die Internationalität des Kapitalverkehrs in einer Welt fehlerhafter Geld- und Kreditordnungen ist auf diesen Schaden angelegt. Der Gefahr hätte der Staat weiterhin durch stabilitätsorientiertes, gläubigerschützendes Kapitalmarktrecht vorbeugen müssen. Dazu ist er durch die Eigentumsgewährleistung verpflichtet. Die weltweite Kapitalverkehrsfreiheit ist das größte Unrecht der Union.

Jetzt soll der Rettungsschirm vergrößert werden und stetig aufgespannt bleiben. Wegen der Vertrags- und Verfassungswidrigkeit der Politik des Finanzausgleichs und der Haushaltstransfers in der Eurozone haben die „fünf Professoren“ zwei Verfassungsbeschwerden erhoben, die zur Zeit verhandelt werden. Ihre Argumentation pfeifen inzwischen die Spatzen von den Dächern. Das Gericht wird eine (vermeintliche) Alternativlosigkeit nicht als Rechtfertigung für Rechtsbrüche hinnehmen, aber es ist nicht zu erwarten, daß es fordert, die „Eurorettungsmaßnahmen“ rückgängig zu machen. Wie sollte Griechenland die Kredite zurückzahlen? Aber auch die Gewährleistungen für die Zweckgesellschaft, die Irland und bald Portugal, Spanien und andere Euroländer kreditiert, sind nur mit großem Schaden für unwirksam zu erklären. Das Gericht wird Deutschland verpflichten, die umgestaltete Währungs- und Transferunion auf einen neuen Vertrag zu stützen, der die Haftung für fremde Schulden berechenbar macht. Das weiß die Regierung und arbeitet deswegen an einem permanenten Krisenmechanismus und an einer Insolvenzordnung für die Euroländer, welche die Staatsentschuldung regelt.

Das wird vor allem die Enteignung der unmittelbaren und mittelbaren Gläubiger ermöglichen. Ob das Gericht dann immer noch an der Lebenslüge der EU festhalten wird, diese sei kein Bundesstaat, bleibt die schicksalhafte Frage. Transferpflichten unter den Unionsstaaten schaffen endgültig den Bundesstaat. In einen solchen darf sich Deutschland gemäß Artikel 146 des Grundgesetzes nur auf Basis einer neuen Verfassung eingliedern, die ohne Volksabstimmung nicht in Kraft gesetzt werden kann. So steht es im Lissabon-Urteil.

 

Karl Albrecht Schachtschneider ist Verfassungsrechtler. Er klagte 1998 gegen die Euro-Einführung und in diesem Jahr gegen das Euro-Rettungspaket

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